Junges Schauspielhaus "Nashorn"-Stück: Schwere Kost für junge Besucher

Im Jungen Schauspielhaus wird das Stück „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute“ gezeigt. Es fehlt Aktion auf der Bühne.

Junges Schauspielhaus: "Nashorn"-Stück: Schwere Kost für junge Besucher
Foto: Sebastian Hoppe

Düsseldorf. Kinder- und Jugendtheater mit Konzentrationslager verbinden? Mit dem bunten Treiben des Zoos beim KZ Buchenwald in der Nähe der Dichter- und Denkerstadt Weimar? Ein verwegenes Unternehmen wagt Jens Raschke da mit seinem Stück „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute“.

Das Opus — 2014 am Weimarer Nationaltheater uraufgeführt (für Kinder ab neun) und ausgezeichnet mit dem Deutschen Kindertheaterpreis 2014 — feierte jetzt Premiere im voll besetzten Jungen Schauspielhaus an der Münsterstraße. OB Thomas Geisel mit Frau samt vier Kindern ließen sich die Aufführung nicht entgehen, genauso wenig wie der künftige Leiter des Jungen Schauspielhauses, Stefan Fischer-Fels, der eigens aus Berlin angereist kam. Ob er mit der erzähllastigen und streckenweise mühsamen Inszenierung des problematischen Stücks durch Christof Seeger-Zurmühlen zufrieden war? Darüber lässt sich nur rätseln.

Mit Quieken und Quaken, Rennen und Raufen — so beginnt das zunächst ausgelassene Treiben der Tiere. Papa Pavian — der Platzhirsch im Buchenwald-Zoo, Murmeltiermädchen, Frau und Herr Mufflon und allerlei Fabelwesen und Tierkinder. Ausstatterin Kirsten Dephoff baute einen Kleiderturm auf die Bühne, auf dem die Tiere rauf- und runterpurzeln, sich in bunte Hosen, Röcke und Mäntel eingraben oder obendrauf thronen. Von Anfang an trennen bedrohlich hohe Maschendrahtzäune die heitere Tierwelt von knochigen Häftlingen in schwarz-weiß-gestreiften KZ-Anzügen, im Lagerjargon ‚Zebrakleidung’ genannt.

So unbeschwert und temporeich das Leben im Buchenwalder Tierpark anfangs abläuft, so ernüchternd und später auch bedrückend ist die Fortsetzung. Denn der Neuankömmling, die Bärin, stellt unbequeme Fragen, weiß nicht so recht, was sie von den „Gestiefelten“ (KZ-Aufseher, die im zackig stampfenden Rhythmus am Zaun vorbei marschieren) und den knochigen „Gestreiften“ (ausgemergelten KZ-Häftlingen) halten soll.

Papa Pavian warnt zwar davor, Fragen zu stellen, weil er als Boss für Ruhe im Tierreich sorgen will. „Die Gestiefelten bringen uns das Essen“, heißt es. Doch die qualmenden Schornsteine lassen die Bärin nicht zur Ruhe kommen, sie igelt sich in einem Denkturm ein und stiftet damit Unruhe unter den Tier-Gesellen. Sie stellen Fragen, die zunächst unbeantwortet bleiben. . .

Manche Szenen, in denen die Gestiefelten mit weißen Masken bedrohlich paradieren, in denen die Tiere und Menschen tanzen oder Bärin und Papa Pavian den Ton angeben, kommen überzeugend über die Rampe. Weniger indes die Momente, in denen die kindgerechten Fabelwesen über Völkermord und Unmenschlichkeiten berichten. Hier wird nicht in Szene gesetzt, sondern Regisseur Seeger-Zurmühlen rettet sich in langatmige Erzählungen und verweigert Bühnenaktion.

Die Bezüge werden für Erwachsene zwar klar, für junge Zuschauer (in Düsseldorf wird die Altersgrenze hochgesetzt auf Zuschauer ab elf Jahren) dürfte aber Vieles im Unklaren bleiben. Zumal plötzlich die gestreiften Häftlinge als Zebras auf der Bühne herumgaloppieren. Ob sich die Botschaft für die Zielgruppe ohne genaue Vor-Informationen erschließen lässt, bleibt fraglich.

Außerdem besteht die Gefahr, dass die Jüngsten das Schicksal der „Gestreiften“ jenseits des Zauns (also in Buchenwald) mit den aktuellen Medien-Bildern von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten gleichsetzen. Das könnte zu fatalen Fehlurteilen und Irrtümern führen — trotz bravouröser Schauspieler-Leistungen von Maelle Giovanetti (Bärin), Alexander Steindrof (Papa Pavian), Hip-Hopper Rayboom (diverse Rollen), Julia Goldberg (u.a. als Frau Mufflon) und Jonathan Schimmer (u.a. als Herr Mufflon).

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