Junge Schauspielhaus Seeger-Zurmühlen: „Es gibt immer jemanden, der aufsteht“

Das Junge Schauspielhaus eröffnet die Saison am Sonntag mit einem preisgekrönten Werk über Weggucker und Fragensteller.

Christof Seeger-Zurmühlen mag die Zebras wegen ihrer Poesie.

Christof Seeger-Zurmühlen mag die Zebras wegen ihrer Poesie.

Foto: Sebastian Hoppe

Düsseldorf. Autor Jens Raschke erhielt 2014 für sein Stück „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute“ den Deutschen Kindertheaterpreis. Es erzählt von dem mutigen Bär und dem feigen Pavian, die um die Achtung der Menschenwürde streiten. Regie führt Christof Seeger-Zurmühlen, Intendant des Jungen Schauspielhauses und künstlerischer Leiter des Asphalt-Festivals.

Junge Schauspielhaus: Seeger-Zurmühlen: „Es gibt immer jemanden, der aufsteht“
Foto: Sebastian Hoppe

WZ: Herr Seeger-Zurmühlen, welches Tier ist Ihnen in der aktuellen Inszenierung das liebste?

Christof Seeger-Zurmühlen: Das sind die Zebras.

Warum die Zebras?

Seeger-Zurmühlen: Weil sie für Lebensfreude und Glück stehen. Und weil sie sich nicht wie andere in das Verdrängungsprinzip einreihen, sondern ein reines Herz haben. Sie verkörpern für mich die Sehnsucht nach Idylle und Poesie.

Das Drama von Jens Raschke hat einen komplexen Hintergrund: 1938 wurde am KZ Buchenwald einen Zoo eingerichtet, als Freizeitvergnügen für Wärter, die täglich an der Ermordung vieler Menschen beteiligt waren. Was müssen die jungen Zuschauer davon wissen, um die Grundaussage zu verstehen?

Seeger-Zurmühlen: Den historischen Hintergrund brauchen sie nicht zu kennen, um zu verstehen, dass es hier um Recht und Unrecht geht. Wir haben das ausprobiert und Schulklassen zu den Proben eingeladen. Für die Kinder war es keine Frage, dass die Tiere einen Teil der Gesellschaft darstellen und als Hierarchie auftreten. Sie wissen aus ihrem persönlichen Alltag, dass es immer irgendwen gibt, der anderen etwas einredet und Mitläufer um sich schart. In dem Theaterstück vertreten Tiere die Haltung: Das ist unser Paradies, und das bleibt es nur, wenn wir niemand anderen hineinlassen. Das erkennen die jungen Zuschauer sofort und wissen es einzuordnen.

Was kann man mit Tierfiguren besser erzählen als mit Menschen?

Seeger-Zurmühlen: Ich weiß, nicht, ob Jens Raschke sein Werk als Fabel ansieht. Ich finde, es ist keine. Es zeigt vielmehr über Umwege, was menschlich und was tierisch ist. Wie viel Animalität in dem Menschen steckt. Es ist ein interessanter Kunstgriff, aus der Perspektive von Tieren auf bekannte Verhaltensmuster zu schauen. Auf diese Weise werden innerhalb der Tiergruppe Menschengruppen erschaffen. Tiere reagieren wiederum auch ganz reell auf Menschen. Wir hatten zu Hause lange Zeit Pferde: Sie spüren sofort, ob ein Mensch Respekt hat oder sie bloß beherrschen will.

Autor Jens Raschke packt ungeschönt raue Realitäten an. Beim „Nashorn“ geht es um Totalitarismus, Unfreiheit und Mut, in seinem Stück „Schlafen Fische“ um Krankheit und Tod. Können junge Zuschauer mehr verkraften als Erwachsene meinen?

Seeger-Zurmühlen: Ja, ich sehe das so. Jedoch muss man geschickt inszenieren, die Umsetzung darf nicht verstören. Wir haben das neue Stück mit Klassen der Jahrgangsstufe sieben angeschaut und die Kinder sagten: „Das ist genau unser Ding.“ Weil es eine Mischung aus lustig, spannend, gefährlich und poetisch ist. Jens Raschke empfiehlt sein Werk deswegen auch schon Kindern ab neun Jahren. Wir zeigen es ab elf Jahren.

Warum das?

Seeger-Zurmühlen: Weil es Momente gibt, in denen der Tod eine Rolle spielt. Verstehen Sie mich nicht falsch — auch Neunjährige darf man damit konfrontieren, jedoch nicht so, wie wir es auf der Bühne erzählen. Aber keine Sorge, wir präsentieren keine düstere Apokalypse, sondern pflanzen Hoffnung in die Geschichte ein. Die Botschaft ist: Es gibt immer jemanden, wie hier den Bären, der aufsteht und eine Zukunft aufzeigt.

Sie inszenieren selbst, was reizt Sie an dem Stück?

Seeger-Zurmühlen: Das Tierische auf der Bühne ohne jedes Klischee darzustellen. Die Charaktere in Körperlichkeit zu übersetzen und das Ganze mit dem hintergründigen Witz von Jens Raschke zu kombinieren, das ist eine spannende Herausforderung. Und wenn ich es recht überlege, haben wir es hier mit einer Mischung aus „Inglourious Basterds“ und „Das Leben ist schön“ zu tun.

In der Inszenierung wird auch getanzt.

Seeger-Zurmühlen: Ja, aber es gibt keine Hip-Hop-Einlagen oder so. Tanz wird als Bewegungselement genutzt, um körperliche Besonderheit auf die Spitze zu treiben.

Das Junge Schauspielhaus glänzt, seitdem Sie es übernommen haben. Was, glauben Sie, machen Sie richtig?

Seeger-Zurmühlen: Es muss auf und hinter der Bühne stimmen. Eine sorgfältige Auswahl der Stücke, die Umsetzung von Visionen ist elementar. Daran haben wir sorgfältig gearbeitet, damit unser Theater als lustvoller Raum wahrgenommen wird und nicht als elitärer Ort.

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