Skulptur drängt in den Alltag

Die neuen Lehrer beflügeln die jüngere Generation der Installations-Künstler. Ihre Objekte sind magisch und witzig.

Düsseldorf. Drei neue Power-Frauen, den Weltstar der Fotokunst und einen der renommiertesten Bühnenbildner Deutschlands hat die Kunstakademie Düsseldorf als Professoren gewonnen. Im Verbund mit den vorhandenen Lehrern blüht der traditionsreiche Musentempel auf.

Das beweist der Rundgang, die kreative Leistungsschau, die vielfältiger denn je ausfällt. 520 Studenten, 70 mehr als bisher, wetteifern um die Gunst des Publikums. Erstmals tritt dabei die Skulptur in den Vordergrund.

Aufregend geht es in den Räumen der Dozentin Katharina Fritsch zu, die von Münster an den Rhein gewechselt ist. Für die Klasse der renommierten Bildhauerin baute der Student Tobias Przybilla drei meterhohe Holzsäulen in weißer, geschliffener Spachtelmasse. So stößt der Kunstgänger auf immer neue Durchblicke und entdeckt ungewöhnliche Objekte.

Kristin Wenzels kleine, dunkle Bulldogge mit Fledermausohren und blauen, geschliffenen Glasstein-Augen stiert in den Raum. Das künstliche Tier bewacht einen Faltenwurf aus Polyesterharz, wie man sie für die Verabschiedung toter Soldaten benutzt. In dem surrealen Szenario fällt auch eine bauchige Gips-Kanne auf, aus der Thorsten Schroth Schoko-Muffins in Bronze wie Köttel purzeln lässt. Im Nachbarraum stapelt Mercedes Thorsten farbig abgegossene Totenköpfe zu einer skurrilen Mauer auf.

Katharina Grosse, die bislang an der Berliner Kunsthochschule Weißensee unterrichtet hat, ist für ihr ansteckendes Temperament bekannt. Die raumgreifenden Arbeiten ihrer Eleven sind schon von der Oberkasseler Brücke aus sichtbar.

Moritz Trzebitzky setzt zwei diagonale schwarze Balken in Kreuzform außen über eine Breitwand, als wolle er für sein neues Energie-Zeichen die Wände durchstoßen. Anica Kehr hängt kein Bild an die Wand, sondern pinselt es auf den Boden und erlaubt den Gästen, darauf herumzulaufen.

Im Raum des Londoner Bildhauers Richard Deacon baut Alexandra Polonskaja zwei groteske Kistenfrauen aus Pappkarton. Der Pfiff liegt in den abgegossenen Beinen, die sich mit ihrem Gepäck in die Wand oder in den Raum schieben. Karl Valentin hätte seinen Spaß an dieser Szene.

Suleyman Rzyyev aus der Cragg-Klasse verabschiedet sich mit einem Säbelzahntiger, den er nach allen Richtlinien der Bildhauerkunst gegossen und abgegossen hat. Wie ein Sisyphos biegt und schweißt Peter R. Müller Supermarkt-Bauten aus dünnen Blechen und bringt sie in Schieflage, als wolle er die Discounter durch seine Bastelei für eine individuellere Bauweise gewinnen.

Die Skulptur steht hier nicht mehr fest gemauert in der Erde. Sie drängt in den Alltag. Sie sucht den Dialog mit dem Betrachter. Sie mischt sich ins Leben ein. Bei der Bildhauerin Rita McBride fällt etwa Doreen Kiesling auf, die den Grundriss ihrer Wohnung maßstabgetreu auf einen schwarzen Teppich überträgt und zu einem Paket zusammenschnürt — Sinnbild für den vagabundierenden Künstler.

Im Foyer platziert Ximena Garcia eine Wohnkoje mit Sofa. Wer dort sitzt, kann die 30 000 Besucher beobachten, die bis Sonntag beim Rundgang erwartet werden.

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