Thomas Ruff: Der Fotostar ohne Kamera

Thomas Ruff gehört zu den Großen der Kunstszene. Er bereitet gerade seine Retrospektive für München vor.

Düsseldorf. Das Haus der Kunst in München feiert im Februar sein 75-jähriges Bestehen mit einer großen Retrospektive von Thomas Ruff. Dort wird der Düsseldorfer all das zeigen, was er in 30 Jahren gemacht hat, die Studentenporträts ohne Psychologie, die Sterne mit Fremdmaterial von der Nasa, den „jpeg“-Zyklus mit den vergrößerten Pixelbildern und die jüngsten Serien zu den Mondlandschaften. Der Fotostar, der gern mit den Freunden Andreas Gursky und Thomas Struth in einem Atemzug („Struffkys“) genannt wird, ist berühmt. Nur: Einen Fotoapparat hat er schon lange nicht mehr nötig.

Als Student der Kunstakademie war er seinem Lehrer Bernd Becher Ende der 70er Jahren mit Interieurs aus dem Umfeld der Familie und der Freunde im Schwarzwald aufgefallen. Er zeigte Stimmungen, Farben, Accessoires von der Oma und aus der Nierentischzeit. Die Fotos wirkten wie von einem Maler.

Thomas Ruff war 23 Jahre alt, als er 1981 die ersten Kommilitonen porträtierte. Er lieh sich die Großbildkamera der Bechers, setzte seine Mitstreiter auf einen Hocker und fotografierte wie „ein Maler, der Regie führte“, wie er es nannte. Als er die Köpfe der jungen Leute 1986 wie Werbeplakate groß abzog, machte er Furore. Da er jedoch gern Haken zu schlagen pflegt, legte er anschließend die Kamera beiseite und holte sich für seine Sternbilder Negative von der Nasa. Einige Jahre später griff er zum Computer, um mit Bildern zu arbeiten.

Warum er nicht mehr fotografiert? Gründe nennt er selten für sein Tun: „Das hat sich einfach so ergeben. Angefangen habe ich damit 1996 bei der Plakatserie. Dann kamen die ,Nudes’, Nackte, aus dem Internet. Der Computer ist einfach ein tolles Werkzeug, um Bilder zu vergrößern, zu scannen, zu spiegeln und Schrift einzubauen.“

Ruff kombiniert gern verschiedene Techniken, Inhalte und Funktionen der Fotografie. 1999 bis 2004 holte er sich Erotikseiten aus dem Internet und „verschönerte“ die ausgewählten Bilder, indem er Weichzeichner und Bewegungsunschärfen einsetzte, die Farbigkeit variierte, störende Dinge entfernte, die Pixelzahl vergrößerte und eine zeitgemäße „Aktmalerei“ schuf.

Der Computer ermöglicht ihm neue Räume, Formen und Farben. „Nehmen wir mal die Jpeg-Serie. Dabei geht es um die Struktur der digitalen Bilder. Für das Komprimieren der Daten muss man den Computer benutzen. Bei der Serie Substrate war es ähnlich. Da habe ich Farben multipliziert — mit dem Computer. Bei der Serie Zycles (2007) wollte ich virtuelle, zyklische Kurven- Bilder schaffen und habe mit mathematischen Formeln herumgespielt.“ Den Kommentar zu der unfassbaren Schönheit scheinbar kosmischer Bilder, überlässt er dem Betrachter.

Wann er das letzte Mal die Kamera benutzt habe? Die Antwort kommt spontan: „Auf dem Fischmarkt in Neapel, und die Serie hieß M.D.P.N., Mercato del pesce di Napoli“. Das sei 2004 gewesen. Er machte in Italien Ferien.

Julian Heynen von der Kunstsammlung meint: „Thomas ist in erster Linie Künstler, der auch mit Fotos arbeitet.“ Das heißt, für Ruff spielt das Material nicht die erste Rolle. So nahm er die Astrofotografie, das Licht längst verglühter Sonnen, von Nasa-Bildern und machte einen „Cassini“-Zyklus des Saturn, allerdings mit eigenen Farben. Auch für seine Mars-Serie entschied er sich für Bilder der Nasa. Seine Kunst ist längst keine Fotokunst mehr. Vom bloßen Abbild der Welt hat er selten etwas gehalten.

Ein neues Projekt habe er lediglich im Kopf. Und wann er wieder fotografisch arbeite? „Tja, wahrscheinlich werde ich wieder eine Kamera in die Hand nehmen und ein Bild fotografieren. Aber wann das ist oder was das sein wird, das steht in den Sternen“, sagt er. Thomas Ruff sucht nicht, er findet.

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