Festival „Wir spielen in Europa auf hohem Niveau“

Christiane Oxenfort und Andreas Dahmen, Macher des Düsseldorf Festivals, über ihr Publikum, die Standortwahl und die Umbenennung.

Festival: „Wir spielen in Europa auf hohem Niveau“
Foto: Alexandre Galliez

Düsseldorf. Die Ironie ist kaum zu überhören. „Hast du keinen Kalender?“, fragt Andreas Dahmen ins Telefon. Am anderen Ende erklärt Christiane Oxenfort wortreich, warum sie nicht zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort ist: wichtiges Sponsor-Gespräch, vielleicht die Lösung vieler Probleme, noch unterwegs, aber schon fast da. Die beiden kennen sich gut, waren mal ein Paar, musizieren gemeinsam und stellen gerade zum 25. Mal das Düsseldorf Festival auf die Beine — ein Unternehmen mit jährlich etwa 1,3 Millionen Euro Umsatz.

Festival: „Wir spielen in Europa auf hohem Niveau“
Foto: Sergej Lepke

Frau Oxenfort, Herr Dahmen, beschreiben Sie das inzwischen 25-jährige Festival mal als Person. Ist die eher professionell oder improvisiert sie?

Christiane Oxenfort: Das ist in jedem Fall eine junge, professionelle, motivierte, kreative Künstlerin. So lautet ja auch unsere Kampagne mit Slogans wie: „25, expressiv, sucht aufgeschlossenes Publikum“. Andreas Dahmen: Die Frage kann ja nicht sein: professionell oder improvisiert. Man kann professionell sein und auch einer gewissen Improvisiertheit und Jugendlichkeit nicht entbehren. Wir beiden haben allerdings inzwischen gelernt, wie Festival geht und uns bemüht, dass die Inhalte nicht da stehengeblieben sind, wo sie vor 25 Jahren angefangen haben.

Sie bringen Produktionen aus der ganzen Welt nach Düsseldorf. Wonach suchen Sie?

Dahmen: Wenn ich in Europa oder auch in Australien nach Gruppen suche, bemühe ich mich um Menschen, die nicht nur eine Sparte bedienen. Im Bereich Neuer Zirkus haben wir uns damit ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal erarbeitet. Die Künstler bewegen sich etwa zwischen Tanz und Artistik. Sie sind viel zu choreographiert, um als reine Artisten angesehen zu werden. Sie sind aber keine Tanz-Compagnien und eröffnen neue Rezeptionsmöglichkeiten.

Wie hat sich das Ziel über die Jahre verändert?

Oxenfort: Das Ziel war schon immer angelegt, es waren ja nie nur Konzerte. Im zweiten Jahr haben wir etwa in der Baustelle des Rheinufertunnels ein Stück mit dem Theater Kontrapunkt und Neuer Musik gezeigt. Dahmen: Wir haben das ja auch ein bisschen an der eigenen Vita festgemacht. Wir waren selbst als Kammermusiker mit dem Flötenquartett Vif tätig und wollten nicht dem klassischen Rahmen entsprechen. Oxenfort: Wir hatten ein Stück, das haben wir mehr als Zugabe gespielt, da habe ich zwischendurch noch einen kleinen Stepptanz hingelegt.

Manchen Düsseldorfern fällt es immer noch schwer, nicht vom Altstadtherbst zu sprechen.

Dahmen: Das Thema Umbenennung in Düsseldorf Festival haben wir so lange mit uns rumgetragen. Wir waren es irgendwann leid, dass Leute dachten, das sei ein Bierfest im Zelt auf dem Burgplatz. Oxenfort: Der Hauptgrund war schon, dass wir den Namen an den Inhalt anpassen wollten. Dazu gehörte irre viel Mut. Aber wir sind seit Jahren international unterwegs, ohne dabei unsere regionalen Wurzeln zu verlieren. Die Verbindung mit den Menschen in der Stadt — mit den Chören von der Andreas- und der Johanneskirche etwa — ist uns extrem wichtig.

Die zentrale Spielstätte ist immer noch das Zelt auf dem Burgplatz. Warum?

Dahmen: Wir wollten die Schwelle immer so niedrig wie möglich halten, ohne das Niveau zu sehr zu senken. Wir haben das Zelt auch deshalb gewählt, um mit den typischen Konzerthaus- und Theater-Prinzipien zu brechen. Und da spielen wir mittlerweile in Europa auf einem hohen Niveau mit. Das Publikum ist derart heterogen und — wie ich finde — gesund.

Wo soll es künstlerisch noch hingehen?

Oxenfort: Das Spannendste sind für mich die neuen Kammermusik-Formationen, die sehr unakademisch arbeiten. Von denen gibt es viele in den USA. Die kombinieren Bach mit Jazz und Elektronischer Musik. Meine Vision wäre es, die Grenze zwischen E- und U-Musik ein für allemal aufzuheben.

Das Jahr hat für Sie einen wiederkehrenden Festival-Rhythmus. Was ist für Sie die schönste Zeit?

Dahmen: Für mich ist der Zyklus zu Ende, wenn das Festival beginnt. Dann wird wahr, was man sich übers Jahr erdacht hat. Der schönste Moment ist aber sicher ein gut verkauftes Haus mit begeistertem Publikum. Oxenfort: Für mich kommt dann noch der Moment hinzu, wenn es finanziell gut gegangen ist. Das ist die größte Crux: Überleben wir oder nicht. Es stellt sich keiner vor, was wir für ein persönliches Risiko fahren.

Aber Sie sind doch etabliert im Kulturkalender der Stadt.

Dahmen: Wir haben gedacht, dass es leichter würde. Das hat sich nicht bestätigt. Oxenfort: Es wird eher immer schwerer. Sponsoren können wegen angeblicher Bestechlichkeit ja eigentlich keine Gäste mehr einladen. Das ist Irrsinn.

Sie beiden waren mal ein Paar, leiten seit 25 Jahren gemeinsam das Festival. Frau Oxenfort, was bringt Sie bei Andreas Dahmen auf die Palme?

Oxenfort: Er ist mir manchmal ein bisschen zu zynisch.

Und was kann er richtig gut?

Oxenfort: Er hat das Händchen für Programmgestaltung und Entdeckungen. Klar kann er auch andere tolle Sachen, er ist ein guter Musiker zum Beispiel.

Herr Dahmen, was sind die Stärken von Frau Oxenfort?

Dahmen: Wir sind sehr unterschiedlich in der Art. Sie ist mir manchmal zu extrovertiert und expressiv, aber das ist genau ihre Stärke. Sie kann unheimlich gut mit Kommunikation umgehen, beherrscht Smalltalk und kann die Leute an uns binden. Das bewundere ich.

Was wäre, wenn einer von Ihnen nicht mehr will?

Oxenfort: Jeder ist ersetzbar. Es muss nur jemand mit der gleichen Lust am persönlichen Risiko sein. Aber so weit sind wir noch lange nicht, denn nach wie vor brennen wir für unser Festival und sind voller Ideen.

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