Düsseldorf Wölli Rohde: „Die Musik ist mein Lebenselixier“

Wolfgang „Wölli“ Rohde, Ex-Drummer der Toten Hosen, spricht übers Musikgeschäft, den Moment, als er Punk wurde und seine Krebserkrankung.

Düsseldorf: Wölli Rohde: „Die Musik ist mein Lebenselixier“
Foto: Stephan Raithel

Düsseldorf/Lank. Um Wolfgang „Wölli“ Rohde, den ehemaligen Schlagzeuger der Toten Hosen, war es trotz einiger Bandprojekte zuletzt ruhig geworden — bis Hosen-Frontmann Campino bei einem Konzert plötzlich von Rohdes Krebserkrankung sprach und ihn beim Konzert in Leipzig sogar auf die Bühne holte. Der WZ erzählt der 65-Jährige beim Interview im heimischen Garten von der bislang schwersten Zeit seines Lebens und er blickt zurück auf den Moment, in dem die Musik zu seinem Lebenselixier wurde.

WZ: Herr Rohde, wie geht es Ihnen?

Wolfgang Rohde: Du kannst mich gerne duzen. Ich bin der Wölli. Derzeit ist es nicht so gut. Der Tumor ist gewachsen. Und ich werde demnächst wohl wieder eine Chemotherapie beginnen müssen. Eigentlich hatte ich die letzte gestoppt. Die hatte mich nur fertiggemacht. Diese Monate waren die schlimmsten Monate meines Lebens. Ich lag im Bett, habe nichts gegessen. Und ich hatte so düstere Gedanken wie noch nie zuvor. Ich bekam Depressionen, bin eingeschlafen und habe kurz vorher gedacht: „Wölli, du willst gar nicht mehr aufwachen.“ Mein Unfall vor 15 Jahren, bei dem ich mich so schwer verletzte, dass ich endgültig bei den Toten Hosen aussteigen musste, war nichts dagegen. Und als ich die Therapie vor einigen Wochen dann abbrach, ging es mir erstmal auch wieder besser. Jetzt heißt es abwarten.

An was kannst du dich in dieser schwierigen Zeit aufrichten?

Rohde: Wie immer an der Musik. Die ist eben mein Lebenselixier. Deshalb habe ich ja damals, nach den Hosen, auch mein eigenes Label „Goldene Zeiten“ und den Musikverlag „Trallala“ gegründet, mit Wölli und die Band Des Jahres eine Platte aufgenommen und zuletzt wieder mit den Suurbiers auf der Bühne gestanden. Leider aber musste ich kürzlich Label und Verlag abmelden. Mit Tränen in den Augen.

Warum?

Rohde: Ich hatte wirklich alles da reingesteckt. Aber eben auch Vieles von dem, was ich mir für das Alter zurückgelegt hatte. Da ist ein sechsstelliger Betrag bei draufgegangen.

Wie konnte das passieren?

Rohde: Das Musikgeschäft hat sich einfach zu extrem verändert. Mit einer Band kannst du heutzutage kaum noch verdienen, wenn du nicht eine Riesen-nummer bist. Wir haben mit den Hosen damals noch richtig gut Geld gemacht mit Platten. Die Touren waren in erster Linie ein „Dankeschön“ an die Fans. Heutzutage ist es genau anders herum: Jetzt müssen Bands mit Konzerten Geld verdienen — das ist aber für die meisten sehr schwer. Die Download-Portale haben vieles kaputt gemacht. Für die meisten Bands geht es da nur noch bis zu einem gewissen Grad - und dann ist Schluss. Auch für ein kleines Label.

Du bist Jahrgang 1950.

Rohde: Jawohl! Und seit ein paar Tagen Rentner. Ich bin also alt. (lacht)

Worauf ich hinaus will: Wenn du mit deinem heutigen Wissen an deinen Einstieg bei den Toten Hosen denkst, dann muss dir diese Zeit doch als eine extrem unbeschwerte vorkommen, oder?

Rohde: Ja. Damals haben wir nie an die Zukunft gedacht. Wir sind nicht angetreten, um die Musikwelt zu erobern. Es machte einfach Spaß. Auch, weil das immer so ein Fünf-Freunde-Ding war. So eine Gang-Sache. Das hast du ja zuletzt gesehen, als die Hosen mich auf die Bühne geholt haben. Die Jungs sind bis heute meine besten Freunde!

Und Du warst in der Band immer der Älteste.

Rohde: Richtig. Ich war schon 36, als ich bei ihnen einstieg. Die anderen waren alle erst Anfang 20.

Hast du ihnen Disziplin beigebracht?

Rohde: Ich sage es mal so: Ich habe zu all ihren verrückten Ideen schon mal meinen reiferen und etwas langweiligeren Senf dazugegeben. (lacht)

Würdest du sagen, dass du anders tickst als andere 65-Jährige?

Rohde: Ich denke schon.

Musik hält also jung?

Rohde: Absolut. Und bei mir kam ja noch etwas hinzu: Ich musste damals, als ich zu den Hosen kam, meinen alten Freundeskreis aufgeben. Da wurden die Hosen-Freunde meine Freunde. Und das waren eben alles Leute, die 10, 15 Jahre jünger waren. Auch das hat mich jung gehalten.

Im Rock’n’Roll spielt das Alter ja ohnehin eine eher untergeordnete Rolle, oder?

Rohde: Das stimmt. Ich bin mit vielen Stars aufgewachsen, die heute noch aktiv sind. Das ist schön. Das kann aber auch mal peinlich werden.

Zum Beispiel?

Rohde: Neil Young. Ein Held meiner Jugend! Doch als ich zuletzt ein Konzert von ihm im Fernsehen sah, da war ich geschockt! Dass der Idiot nicht mal auf die Idee kommt, im hohen Alter seine Stücke um ein, zwei Töne runter zu transponieren . . . Der Gesang war permanent schief. Ich musste den Fernseher ausmachen. Diesen Untergang wollte ich mir nicht anschauen.

In welchem Moment wurde Musik für dich zur wichtigsten Sache?

Rohde: Das war 1978. Da habe ich in London mein erstes Punkkonzert gesehen. Es spielten 999, Eddie & The Hot Rods und die Vibrators. Die Zuschauer sind zuerst alle brav in Zweierreihen in den Saal gegangen und haben sich nett unterhalten. Aber dann kam die erste Band — und ich war hin und weg! Die Leute sind ausgerastet und haben jeden Refrain mitgebrüllt! Sowas kannte ich noch nicht. Ich bin ein paar Tage später nach Berlin zurückgekommen — und habe mir meine Haare abgeschnitten, die mir damals noch bis zum Hintern gingen. Ich wurde Punk, weil ich wusste: Das ist genau mein Ding!

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