Mobbing im Internet: Wie Lisa zur „Schlampe“ wurde

Die Hetze nimmt zu, auch in Düsseldorf. Hilfe wird zu wenig genutzt. Experten wollen jetzt Eltern und Lehrer schulen.

Düsseldorf. Lisa Weise (Name geändert) konnte plötzlich ihr Konto bei „Schüler-VZ“ nicht mehr öffnen. Als die 13-Jährige sich dann über eine Freundin einwählte, erkannte sie ihre eigene Seite nicht mehr: Sie selber hieß plötzlich „Bitch“ (Schlampe), machte einem Mitschüler Liebeserklärungen, den sie in Wahrheit nicht ausstehen kann, und lästerte über ihre Freundinnen.

Die Geschichte ist in Düsseldorf kein Einzelfall. Rechnet man bundesweite Zahlen auf die Stadt herunter, dann haben 10 000 Jugendliche im Alter von zehn bis 18 Jahren schon Erfahrungen mit Beleidigungen oder Verleumdungen im Netz gemacht. Der Kinderschutzbund lädt deshalb heute Experten zu einer Fachtagung ins Gap 15, auch Lehrer, Jugendamt und Polizei sind dabei.

Diana Goldermann-Wolf, stellvertretende Geschäftsführerin des Düsseldorfer Kinderschutzbundes, erläutert den Hintergrund: „Die Fälle von Mobbing im Internet nehmen zu, viele Erwachsene wissen aber zu wenig über das Thema.“ Im Vergleich zum klassischen Mobbing hätten die Formen im Internet eine größere Breitenwirkung. Fand Mobbing früher vor allem in der Schule statt, sei es jetzt allgegenwärtig und häufig anonym.

Die Belastung für viele Opfer ist extrem: „Sie laufen durch die Schule und überlegen nur noch, wer es gewesen sein könnte“, sagt Kinderschutzbund-Mitarbeiter Reiner Reuß. Sein Kollege Ansgar Sporkmann beschreibt die Formen des Mobbings: Es beginnt bei beleidigenden Einträgen auf Facebook, oft werden Fotos manipuliert oder heimlich gedrehte Filme auf der Internet-Plattform Youtube eingestellt. In anderen Fällen werden Lügen über Personen verbreitet oder sie mit ständigen SMS belästigt. Seiten wie „Isharegossip“ laden sogar quasi zum Rufmord ein. Über die Motive kann Sporkmann nur mutmaßen: „Es sind nicht nur Außenseiter, die hier zu Tätern werden.“ Manche seien sich der Tragweite ihres Handelns nicht bewusst.

Bei extremen Fällen erstatten Opfer auch Anzeige, sagt Georg Schimmelpfennig von der Düsseldorfer Polizei: „Das nimmt zu.“ Zahlen kann er nicht nennen, Mobbing wird nicht getrennt erfasst, sondern läuft unter Beleidigung oder üble Nachrede. Oft empfiehlt es sich aber, erst mal Rat zu suchen, etwa beim Kinder- und Jugendtelefon (0800/1110333). Die Mitarbeiter sind geschult, Lisa Weise haben sie geholfen, ihr Konto zu sperren und den Fall zu melden. „Wichtig ist auch die seelische Unterstützung. Wir zeigen den Opfern, dass sie nicht die einzigen sind, denen das widerfährt“, sagt Goldermann-Wolf.

Viele Fälle bleiben aber im Dunkeln, laut einer Studie erfahren die Eltern weniger als die Hälfte der Fälle. Ein weiterer wichtiger Ansprechpartner sind daher Schulen. Heike Scheulen, Beratungslehrerin am Gymnasium Gerresheim, hat eine Fortbildung gemacht und schon einige Fälle erlebt: „Wir führen dann Gespräche mit Betroffenen und Eltern.“ Wenn Täter bekannt waren, habe es auch schon disziplinarische Maßnahmen gegeben. Darüber hinaus hat Heike Scheulen das Thema mit ihrer Klasse diskutiert und Experten sowie die Polizei zu Projekttagen eingeladen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort