Nach 70 Jahren - endlich ein Mahnmal für die Deportierten in Derendorf

Vom Güterbahnhof Derendorf wurden 6000 Juden deportiert — wenige überlebten. Seit Sonntag erinnert ein Mahnmal an sie.

Düsseldorf. Kurz vor drei Uhr ging das Unwetter los: Ein Hagelschauer, dann Regen, schließlich Blitz und Donner. Die meisten Gäste der Einweihungsfeier konnten sich gerade noch unter die Brückenauffahrt flüchten, viele harrten aber auch im Dauerregen aus.

Viel länger, mehr als 70 Jahre, mussten die Angehörigen der jüdischen Gemeinde und die wenigen Rückkehrer unter den vom Derendorfer Güterbahnhof aus deportierten Juden aus Düsseldorf und dem Rheinland warten, bis sie ein würdiges Mahnmal erhielten.

Am Sonntag war es so weit, ein Kiesbett mit Schienen, Eisenbahnschwellen und eine vierzig Meter lange Stahlwand, auf der die Namen der Zielorte der Transporte stehen, bildet von nun an den Gedenkort für die Deportationen. „In der Verlängerung des Mahnmals sieht man direkt in Blickrichtung des Schlachthofes“, sagt Bastian Fleermann, Leiter der Mahn- und Gedenkstätte.

Der Schlachthof war sowohl Ausgangspunkt der Deportationen als auch das Letzte, was die Düsseldorfer Juden von ihrer Stadt sahen. Es soll deutlich machen: Diese Menschen gehörten einst dazu, sie waren Teil der Stadt. Ein weiteres Symbol: Die Abstände der Orte auf der Stahlwand stehen in Relation zu ihrer tatsächlichen Entfernung von Düsseldorf.

Ein Versuch, die Dimensionen der Transporte deutlich zu machen. „Das Mahnmal schneidet sich tief ein in den Boden des neuen Stadtviertels, es ist ein stummer Aufschrei“, sagte OB Dirk Elbers. Zusammen mit dem Vorstandsvorsitzenden der jüdischen Gemeinde, Oded Horowitz, legte er anschließend Kränze am neuen Mahnmal nieder. Horowitz erinnerte auch an die jüngsten Opfer des Judenhasses — unlängst hat ein fanatisierter Jugendlicher im südfranzösischen Toulouse vor einer jüdischen Schule vier Menschen getötet. „Ich hoffe, ich werde noch zu meinen Lebzeiten ein Ende dieses Hasses erleben“, sagte Horowitz.

Tieftrauriger Höhepunkt der Gedenkveranstaltung war aber das Vorlesen aus den Erinnerungen Überlebender durch Kinder der jüdischen Gemeinde. „Am Zielort angekommen, sahen wir Eisblumen an den Fenstern, von innen und außen. Da wurde mir schlagartig klar, es wird noch viel schlimmer“, heißt es in den Erinnerungen des damals 13-jährigen Günter Wolff.

Dem Mädchen, das aus den Erinnerungen von Selma Padis vorliest, stockt der Atem, sie ringt mit den Tränen — und mit ihr vielen der Anwesenden. Selma Padis beschreibt, wie sie sich aus Verzweiflung über ihre bevorstehende Deportation in den Rhein stürzen wollte, sie im letzten Moment aber vom Mut verlassen wurde. Padis überlebte die Verschleppung.

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