Norbert Hüsson: „Sterbehilfe kommt im Regenbogenland nicht infrage“

Norbert Hüsson vom Kinderhospiz Regenbogenland ist ein Gegner der Sterbehilfe.

Norbert Hüsson: „Sterbehilfe kommt im Regenbogenland nicht infrage“
Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Der Bundestag will bis 2015 eine neue Regelung zur Suizidbeihilfe verabschieden. Jeder soll selbst entscheiden können, wann er sein Leben beendet. Man spricht dann von „assistiertem Suizid“. Ärzte sollen Betroffenen helfen dürfen, sich selbst zu töten. Norbert Hüsson ist Vorsitzender des Fördervereins Kinder- und Jugendhospiz Düsseldorf. Er hält die Diskussion um die Sterbehilfe für unnötig.

Was halten Sie von der aktuellen Debatte? Gibt es eine Form der aktiven Sterbehilfe, die Sie akzeptieren?

Norbert Hüsson: Menschen sind verschieden und Sterben ist sehr individuell. Jeder Versuch, Sterben und Tod gesetzlich zu regeln, muss deshalb scheitern. Wann ist ein Mensch in der Lage, objektiv zu beschließen, dass er sein Leben beenden will? Für Kinder und ihre Eltern ist die Beantwortung dieser Frage noch schwieriger. Wie lange ist ein Kind ein Kind? Sie haben doch noch keine Lebenserfahrung und selbst junge Erwachsene auch nicht. Sie haben einen anderen Werdegang als sehr alte Menschen, die sagen können: „Ich habe mein Leben gelebt und möchte nicht mehr.“

Ist die Verlängerung des Lebens aber manchmal nicht auch eine Verlängerung des Leids?

Hüsson: Wir hatten einen Jungen im Hospiz, der einen Gehirntumor hatte. Er war schon etwas älter und wusste genau, dass er stirbt. Trotzdem hatte er Freude am Leben. Meine persönliche Erfahrung zeigt wirklich: Kein Kind oder junger Erwachsener würde je sagen: Beende mein Leben! Und das dürfen wir als Kinderhospiz auch nicht gewährleisten.

Was sind Ihre Befürchtungen, wenn die Sterbehilfe eingeführt wird?

Hüsson: Erstmal kann man doch nicht altersmäßig definieren, wann man entscheiden darf, sein Leben zu beenden — ab 70, 80, 90? Für Kinder und junge Erwachsene darf das keine Variante sein. Es darf auch nicht zu einer Gewissensnot der Eltern führen. Viele fragen sich: Was passiert mit meinen Kindern, wenn ich nicht mehr da bin? Hier darf man keinen zusätzlichen Druck aufbauen. Menschenwürde ist auch im Umgang mit dem Tod wichtig. Haben wir in Deutschland da eine besondere Verantwortung? Hüsson: Wenn es um das Thema Sterben und Tod geht, sollte sich Deutschland seiner Vergangenheit bewusst sein. Die Euthanasie im Dritten Reich sollte uns zur Sensibilität ermahnen, gerade wenn es um Tod von Kindern geht. Sterbehilfe können wir uns auch aus diesem Grund für das Kinderhospiz nicht vorstellen.

Kamen Sie in Ihrer Arbeit im Hospiz schon einmal in eine Situation, in der Sie anders dachten?

Hüsson: Noch nie. Wir haben Kontakt zu Familien, die ein Kind verloren haben. Der Tod gehört für sie zum Leben dazu, die Sterbensphase war aber schwer genug. Man sollte erst stärker auf eine Aufklärung über Palliativmedizin hinarbeiten und mehr Fachpersonal dafür einstellen, bevor man über Sterbehilfe diskutiert.

Schmerzmittel können den Tod „einfacher“ machen. Ist das noch gar keine Sterbehilfe?

Hüsson: Schmerzmittel sind keine aktive, einleitende Sterbehilfe. Denn eine hohe Morphiumdosis bekommen Patienten höchstens in der allerletzten Phase. Wir wissen aus unserer Erfahrung: Kinder geben klar zu erkennen, wenn sie gehen möchten. Und sie gehen dann auch von alleine.

Wie bewerten Sie grundsätzlich den Umgang mit Sterbenden in unserer Gesellschaft?

Hüsson: Mittlerweile ist der Tod kein Tabuthema mehr, wie noch vor einigen Jahren. Menschen setzen sich mit dem Tod wieder auseinander und nehmen Hilfe zum Beispiel durch ein Hospiz an. Wir dürfen nicht riskieren, dass ein neues Gesetz darauf Einfluss hat.

Wurden Sie schon einmal um Sterbehilfe gebeten?

Hüsson: Viele verbinden mit dem Sterben den Idealgedanken „Ich möchte ruhig einschlafen“. Im Kinderhospiz werden die Schmerzen durch die Palliativmedizin gut behandelt. Ich kann mich nicht erinnern, dass eine Familie um Sterbehilfe gebeten hätte. Nein, das gab es nie.

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