Polizei räumt Occupy-Camp

Zwei Hundertschaften trugen am Mittwoch die Protestler aus dem Lager. Diese hielten Wort und blieben friedlich.

Düsseldorf. Die Dixie-Klos werden auf einem Lieferwagen festgezurrt, Wände von Bretterbuden verschwinden in der Presse eines Awista-Wagens. Über die Straße wehen Flyer, auf denen groß zu lesen ist „Menschlichkeit!“. Um 11.30 Uhr verschwinden am Mittwoch die letzten Zeichen des Occupy-Camps im Sperrmüll. Die Polizei hatte das Protest-Lager am Morgen geräumt.

Es ist 5.55 Uhr, als die ersten Polizei-Autos durch die Blumenstraße Richtung Martin-Luther-Platz rollen. Aus Boxen auf dem Holzzaun, den die Aktivisten um ihr Lager gezogen haben, schallen Hip-Hop-Beats. Mehrere Dutzend Kapitalismuskritiker haben sich hinter den Barrikaden versammelt.

„Ich bin schon aufgeregt“, sagt Aktivistin Daniela (46). Ebenso wie Mario (24), der bei Occupy-Demos in Frankfurt selbst schon „brenzlige Situationen“ erlebt hat. Er hoffe noch auf einen Dialog mit der Stadt. Doch gegen 6.15 Uhr tritt der Chef des Ordnungsdienstes, Holger Körber, mit einem Megafon vor den Zaun und setzt den Campern eine halbe Stunde als Frist, um freiwillig abzuziehen. Beantwortet wird das mit lauten Rufen: „Haut ab!“

Um 7.30 Uhr ziehen zwei Hundertschaften in der Blumenstraße auf und umstellen das Gelände an der Johanneskirche. Reaktion der Protestler: Eine junge Frau mit geschminktem Gesicht tanzt zwischen den Beamten umher, bietet ihnen Rosenblätter an. Eine andere zeichnet Herzen mit Kreide vor die Stiefelspitzen.

Das Friedensangebot der Gegenseite: Einsatzleiter Hans Lennartz bietet den Protestlern an, auf die andere Seite des Platzes vor das Justizministerium umzuziehen — mit Info-Pavillon und Transparenten, ohne Zelte. „Unsere einzige Forderung ist ein Gespräch mit OB Elbers“, sagt hingegen Camper Marcel. Dann wolle man sich zurückziehen. Doch kurz vor halb neun erteilt der OB eine Absage. Seine Sprecherin erklärt, man sehe keinen Grund, einem „Gesprächswunsch auf den letzten Drücker“ Folge zu leisten. Folge: Die Polizei muss räumen.

Mehrfach kündigt Einsatzleiter Lennartz die bevorstehende Räumung über Mikrofon an. „Leisten Sie keinen Widerstand“, fordert er die Demonstranten auf. Wer sich friedlich aus dem Camp tragen lasse, der müsse nicht mit einer Anzeige rechnen — nicht einmal Personalien will die Polizei aufnehmen. Um 9.30 Uhr rücken Beamte mit schwerem Gerät an, der Holzzaun wird direkt an der Kirchenwand eingeschlagen. Beamte mit Schutzschildern bauen sich rund um die Barrikade auf.

Ein Hundertschafts-Polizist beugt sich über einen Demonstranten: „Wir werden Sie jetzt raustragen.“ Gemeinsam mit einem Kollegen packt er an — wenige Sekunden später hockt der Aktivist bei seinen Mitstreitern vor dem Portal der Kirche. Eine andere Demonstrantin empfängt die Polizisten mit einem Schild „Free Hugs“ (Umarmungen gratis) und nimmt sie an der Hand, um sich hinausgeleiten zu lassen.

„Es ist friedlich, das hatte ich mir erhofft“, zieht Marcel (28) Bilanz. Auch Daniela lobt: „Die Polizei hat sich sehr korrekt verhalten.“ Trotzdem ist sie „den Tränen nahe“ angesichts des Camp-Abrisses. Wie es für Occupy Düsseldorf weitergeht, ist jetzt völlig offen. Auch ob es wieder ein Camp an anderer Stelle geben soll. Daniela: „Aber wir machen auf jeden Fall weiter.“

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