Reisholzer Hafen ist ein Dauerbrenner

Der Ausbau des Hafens im Süden wird aktuell kontrovers diskutiert. Seit mehr als 100 Jahren weckt er immer wieder Begehrlichkeiten.

Düsseldorf. Es war schon ein genialer Plan, den Hermann Heye, Sohn des Glashüttengründers Ferdinand Heye, und sein Schwager Max Trinkaus 1895 ausgeheckt hatten: Zunächst kauften sie die zwischen dem noblen Trinkaus’schen Familiensitz Elbroich und der preußischen Staatsbahn liegenden Güter Kappeler Hof, Niederheid und Oberheid mit einer Gesamtgröße von rund 370 Hektar auf. Doch sie wollten die landwirtschaftlich wenig ergiebige Flächen nicht kultivieren, sondern sie für die aufstrebende und aus den engen Stadtgrenzen herausdrängende Industrie nutzen.

Zu diesem Zweck investierten beide viel eigenes Geld und finanzierten sogar einen neuen Bahnhof zwischen Düsseldorf und Benrath. Dieser wurde nach dem Flurnamen Reisholz benannt und lag an der Stelle, wo die preußische Bahn und der Rhein den geringsten Abstand voneinander hatten. Denn der Bahnhof sollte durch einen Hafen ergänzt und das Gelände durch ein Gleisnetz mit beidem verbunden werden.

1898 wurde die „Industrieterrains Düsseldorf Reisholz AG zu Benrath“ (IDR) gegründet, 1899 folgte die Einweihung des Bahnhofs und 1901 die des Hafens. Obwohl auf Holthausener Areal gelegen, bürgerte sich für ihn wegen der Gleistrasse der Name „Reisholzer Hafen“ ein.

Horst Wessel, Archivar von Mannesmann

Die Strategie von Heye & Co ging auf. Schon 1900 kam Fritz Henkel, dessen altes Firmengelände in Flingern zu klein wurde, mit seiner Bleichsodafabrik nach Holthausen. In schneller Folge siedelten sich in Reisholz das Röhrenwerk Erhard (später Thyssen) sowie die Spiegelglas AG, Guschky & Tönnesmann an. Nach Holthausen kamen die Papierfabriken Feldmühle, später Stora Enso (1905) und Jagenberg (1906).

Weil die Betriebe Energie benötigten, schloss die IDR 1906 mit dem Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk (RWE) einen Vertrag ab, in dem sich das RWE verpflichtete, jede gewünschte Menge Strom an das IDR-Gebiet abzugeben. Im Gegenzug gab die IDR neben ihrem Hafen ein Gelände für den Bau eines Steinkohlekraftwerks. 1908 nahm es seinen Betrieb auf. Damit war das Gelände auf dem damals technisch neuesten Stand.

Der rasche wirtschaftliche Erfolg des Unternehmens beflügelte auch anderorts die Fantasie: So wurde 1912 im Düsseldorfer Planungsamt über einen Industriehafen im Himmelgeister Rheinbogen als Erweiterung des 1898 angelegten Handelshafens nachgedacht. Erster Weltkrieg und französische Besatzung brachten zwar Rückschläge, aber schon 1927 gab es einen neuen Generalbebauungsplan, in dem der Süden als Industrieviertel projektiert war: Es sollte einer Fläche von 200 Hektar mit Eisenbahnanschluss und Hafenbecken im Rheinbogen entstehen. Wegen der geringen Tiefe des Rheins an dieser Stelle wurde der Plan allerdings zu den Akten gelegt und stattdessen wurde ein Gelände in der Urdenbacher Kämpe anvisiert.

Zwar liefen die Geschäfte im Reisholzer Hafen 1924 schon wieder so gut, dass die IDR ihr Umschlaggeschäft an eine Tochter, die Rheinumschlag AG, verlagerte. Und 1928 — ein Jahr vor der Eingemeindung Benraths — pachtete die Stadt die Holthausener Kaianlagen, auf der mittlerweile acht Krananlagen in Betrieb waren. Weil sich die Industrie- und Handelskammer aber dagegen ausgesprochen hatte, noch mehr Industrie nach Düsseldorf zu ziehen, blieben die Hafenerweiterungspläne und die Neuansiedlung von Industrie in den Rheinschleifen zunächst eine Fußnote der Geschichte.

Was allerdings nicht bedeutete, dass der kleine Hafen inmitten von viel freier Landschaft nicht immer wieder Begehrlichkeiten weckte. Diese wurde lange Zeit als „natürliches Entwicklungsland“ für die Industrie gesehen. Wie bei den Lierenfelder Poensgen-Werken, später Vereinigte Stahlwerke. Dort wollte man 1917/18 die Produktion um ein neues Stahl- und Walzwerk samt Hochofen erweitern — zunächst auf dem eigenen Firmengelände. 1940, kurz nach dem so genannten „Blitzkrieg“ gegen Polen und vor dem Ausbruch der Kampfhandlungen mit England und Frankreich, griffen die Firmenchefs die alten Erweiterungspläne wieder auf, um für die Zeit nach dem Krieg gerüstet sein. Allerdings nicht mehr in Lierenfeld, sondern im Himmelgeister Rheinbogen. Nach einer von Horst Wessel, Historiker und ehemaligen Leiter des Mannesmann-Archivs, gefundenen Aktennotiz vom Juni 1940, hatten sich die Konzernleiter auf dem Gut Mickeln umgesehen und das Areal für gut gefunden. Einziges Hindernis: Der Grundeigentümer (die teils in Nordkirchen, teils im niederländischen Haag ansässige Familie Arenberg) wollte nicht verkaufen. Es wurde aber nicht ausgeschlossen, dass sich „die Verhältnisse wegen der Ausländereigenschaft des Besitzers und seiner Söhne, so entwickeln könnten, dass die Familie erhebliches Kapital benötige und zum Verkauf gezwungen wäre“. Man wolle deshalb die Angelegenheit weiter im Auge behalten. Nach dem Krieg gab es noch einmal einen zweiten Anlauf, der vom Herzog von Arenberg erneut abgelehnt wurde.

Im Reisholzer Hafen selbst florierte die Wirtschaft in den 1950 Jahren bald wieder. Noch 1964 sorgten zehn Krananlagen, ein Getreideheber sowie sieben Mineralölabgabeanlagen für gute Geschäfte. Wie ein Plan von 1957 zeigt, animierte die florierende Wirtschaft die Stadtverwaltung sogar dazu, wieder einmal über ein Gewerbegebiet nördlich des Holthausener Hafens nachzudenken — samt Stichkanal und einer Erschließungsstraße im Norden, die in Höhe der Himmelgeister Panzerfurt als Brücke über den Rhein führen sollte.

Aber der Niedergang zeichnete sich schon ab: Der Betrieb des Steinkohlekraftwerks wurde, weil er im Vergleich zu den modernen Braunkohlekraftwerken zu ineffizient und zu teuer war, 1966 stillgelegt. Fast gleichzeitig wurden sieben der einst zehn Kräne verkauft. Als sich 1967 auch im Haupthafen dieser Abwärtstrend bemerkbar machte, regte der damalige Stadtplaner Friedrich Tamms sogar an, die Düsseldorfer Hafenbecken zuzuschütten und auf der Lauswardinsel eine zweite City zu bauen. Der Hafen selbst sollte im Anschluss an das Holthausener Werft in verkleinerter Form im Himmelgeister Rheinbogen entstehen. Doch die Verlagerung sollte 500 Millionen Mark verschlingen. Die Idee wurde 1973 fallen gelassen.

In Reisholz wurde es immer ruhiger. 1992 zogen in einige der leer stehenden Hallen der Rheinumschlag GmbH die aus dem Düsseldorfer Hafen verdrängten Künstler ein. Parallel dazu wurde seitens der IDR über eine Entwicklung des Holthausener Geländes weg vom alten Hafenkonzept nachgedacht. 2000 brachte der damalige IDR-Chef Eberhard Kiesner eine so genannte „Marina“ mit Studios für die Werbe- und Modebranche samt Segelhafen auf dem ehemaligen Shellgelände und durchgehender Uferpromenade ins Gespräch.

Weil aber die verbliebenen Industriebetriebe die letzten erhaltenen Kräne und Gleisanschlüsse benötigten, wurden auch die Marina-Pläne nicht verfolgt. Das Gelände wurde moderat für Gewerbe ausgebaut. Und seit 2004 wird nun der Ausbau des Hafens kontrovers diskutiert.

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