Brandbombe landete im ersten Stock

Raimund Salm erlebte den Pfingstangriff 1943 als 15-Jähriger in der Altstadt — auch aus der Perspektive des Bestatters.

Düsseldorf. Wenn es Fliegeralarm gab, war Raimund Salm oft zu faul aufzustehen. „Meistens passierte ja nichts“, sagt der heute 85-Jährige, der bis vor wenigen Jahren noch das Bestattungsinstitut an der Andreasstraße 19 leitete. Also blieben der damals 15-Jährige und sein älterer Bruder trotz Sirenengeheuls manchmal im Bett. Und das zu einer Zeit, in der viele andere Altstadtbewohner grundsätzlich im Bunker unter dem Carlsplatz übernachteten. „Unsere Mutter fand das natürlich nicht gut, sie sagte dann absurderweise immer, dass wir uns wenigsten Socken anziehen sollen.“ Erst wenn dann tatsächlich die ersten Bomben fielen, rannten die Brüder die steile Kellertreppe zu ihren Eltern hinunter.

„Wir verließen das Haus nicht, da wir Angst um die Schreinerei hatten“, sagt Salm. Immer standen gefüllte Wassereimer bereit, um notfalls löschen zu können.

So war es auch in der Nacht des Pfingstangriffs, am 12. Juni 1943. Die Familie hatte im Keller Zuflucht gesucht und lauschte. Dann der Treffer. Eine Stabbrandbombe durchstieß das Dach, zwei Decken und blieb im ersten Stock am Treppengeländer liegen. „Wir liefen sofort die Treppen hoch. Glücklicherweise war es nur ein kleiner Brand, der war schnell gelöscht“, erinnert sich Salm. „Wenn wir im Bunker übernachtet hätten, wäre unser Haus abgebrannt.“

So blieb es nahezu unbeschadet. Doch auf die Erleichterung folgte die Sorge um den Großvater, der an der Sternstraße lebte. „Von der Altstadt aus gesehen wirkte es, als ob ganz Derendorf und Pempelfort brennen würden.“

Mitten in der Nacht macht sich Familie Salm also auf den Weg durch den Hofgarten. Dann die Erleichterung. Der Großvater stand mit Notköfferchen, den damals jeder stets griffbereit hatte, vor der Ruine seines Hauses. „Aus heutiger Sicht muss man sogar über die Szenerie lachen“, sagt Salm. „Denn die Nachbarn hatten tatsächlich ihr Klavier in Sicherheit gebracht. Unversehrt stand es vor den ausgebrannten Häusern.“

Welche Ausmaße die Zerstörungen hatten, begriff Raimund Salm erst in den nächsten Tagen. Unmittelbar war er mit den Konsequenzen konfrontiert. 161 Beerdigungen und Überführungen führte das Beerdigungsinstitut innerhalb einer Woche durch. Raimund Salm musste in der Schreinerei mit ran, denn dort wurden die Särge gefertigt.

Bis auf Salms älteren Bruder, der mit einer leichten Rauchvergiftung ins Theresienhospital musste, überstand die gesamte Familie Salm den Pfingstangriff wie auch den Krieg unbeschadet. Salms jüngerer Bruder war während dieser Jahre übrigens aufs Land verschickt worden. Mit ihm übernahm Salm später das Bestattungsinstitut, das nunmehr seit 1845 als Familienbetrieb existiert. Heute führt es Salms Sohn und eine seiner beiden Töchter. Und der 85-Jährige wohnt immer noch im Haus an der Andreasstraße 19.

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