Interview mit Schulleiter Wulf Rehfus: "Die größte Freiheit ist die, sich selbst zu kontrollieren"

Wulf Rehfus will die Welt begreifen. Ab 29.Januar hat er mehr Zeit dazu – dann geht der Schulleiter in Pension.

Düsseldorf. Wulf Rehfus leitet seit 16 Jahren das Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium in Benrath. Nahezu sein ganzes Leben lang hat der 65-Jährige als Lehrer gearbeitet. Ein Zufall, wie er sagt.

WZ: Herr Rehfus, noch eine Woche Schule, dann ist Schluss. Stimmt Sie das wehmütig?

Rehfus: Nein. Diese Frage wird mir jetzt ständig gestellt. Aber ich warte noch auf die tiefe Depression oder die große Freude.

WZ: Welche Pläne haben Sie für die viele Zeit, die Ihnen fortan zur Verfügung steht?

Rehfus: Da muss ich nicht lange überlegen, ich werde das tun, was ich jetzt auch schon tue, nur eben aktuell unter Zeitdruck: publizieren.

WZ: Was schreiben Sie denn?

Rehfus: Es sind wissenschaftliche Arbeiten. Ich habe ein großes Interesse daran, zu verstehen, was in der Welt passiert. Um Orientierung zu bekommen.

WZ: Für jemanden, der Philosophie unterrichtet, gehört sich das ja auch so. Haben Sie denn auch entsprechende Denk-Anweisungen für ihre Schüler?

Rehfus: Das nicht gerade, ich mache nur Angebote, niemals Vorgaben. Aber ich suche mir für den Unterricht immer solche Denker aus, die anders auf die Welt blicken als Schüler es aus dem Fernsehen kennen.

WZ: Wessen Ideen präsentieren Sie den Schülern?

Rehfus: Zum Beispiel die von Platon, der eine interessante Kritik an der Demokratie formuliert hat. Oder Hegel, der darlegt, was im Kopf eines Menschen passiert, bevor er zum Terroristen wird. Diese Leute sind ja nicht von Grund auf böse. Sie haben ihren Glauben radikalisiert und sind moralisch von ihrem Tun überzeugt. Das kann man bei Hegel nachlesen.

WZ: Und wie sollen Jugendliche dabei zwischen gut und böse unterscheiden?

Rehfus: Sie sollen Selbstdisziplin lernen. Verstehen, dass die größte Freiheit diejenige ist, sich selbst zu kontrollieren und dass es immer auch andere Möglichkeiten des Denkens gibt. Ziel muss sein, das Weltverständnis der Schüler und das eigene komplexer zu machen. Deswegen habe ich Philosophie studiert.

WZ: Sind Philosophen die besseren Lehrer?

Rehfus: Ein Lehrer muss vor allem Freude an seiner Arbeit haben. Das ganze Gerede um Methoden, die man im Unterricht anwenden soll, ist ein modisches Missverständnis. Bevor ich ans Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium ging, habe ich 15Jahre lang Referendare ausgebildet. Ich habe aufgehört, nachdem im Anschluss an eine Lehrprobe mal wieder mehr darüber diskutiert wurde, ob der junge Kollege Medien eingesetzt hat als darüber, ob die Schüler etwas gelernt haben.

WZ: Warum sind Sie Lehrer geworden?

Rehfus: Das war reiner Zufall. Wir mussten ja nicht wie die Jugendlichen heute Angst haben, keine Arbeit zu finden. Ich habe angefangen mit Philosophie, Kunstwissenschaften, Germanistik, Psychologie und Französisch. Überall habe ich ein bisschen geschnuppert, bis ich schließlich feststellte: Ich kann mit dem Fach, das ich mag, Lehrer werden, mit Philosophie. Ich habe dann Philosophie und Germanistik studiert.

WZ: Also fühlten Sie sich nicht zur Ausbildung junger Menschen berufen?

Rehfus: Nein, so etwas wie einen innerlichen Auftrag habe ich nicht gespürt.

WZ: Dem Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium wird nachgesagt, man halte sich dort für elitär. Stört Sie das oder fühlen Sie sich geschmeichelt?

Rehfus: Weder noch, ich habe mich immer gefragt, woher das kommt.

WZ: Steht Ihr Nachfolger fest oder wird das Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium die nächste Schule ohne Chef?

Rehfus: Soweit ich weiß, gibt es Bewerber für den Posten, aber es wird sicher noch Monate dauern, bis eine Entscheidung fällt.

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