Louisa Rachedi - die Tänzerin „ist eine Ausnahmebegabung“

Mit der 24-jährigen Louisa Rachedi schließt die Serie „Düsseldorfs junge Künstler.“

Düsseldorf. Es hat ihr nicht das Herz gebrochen. Verletzt war sie, enttäuscht, und bereit, ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen. "Du bist begabt, aber du passt nicht" - es gibt Sätze, die vernichten können. Aber am Ende ließ sich Louisa Rachedi nicht bis zum Äußersten treiben, auch wenn sie im Kopf durchgespielt hat, wie es wohl wäre, wenn sie sich um einen anderen Körper bemühte. "Du bist begabt, aber du passt nicht" - was in Tänzersprache so viel heißt wie "Du bist zu fett". Es gibt Sätze, die deswegen vernichtend sind, weil sie Höflichkeit heucheln.

Louisa Rachedi ist Balletttänzerin. Damals in Kanada, wo sie bereits als 17-Jährige einen Vertrag mit dem National Ballet hat, grämt sie sich, weil sie keine Ballerina-Figur hat. Weil sie eher der "mediterrane Typ" ist, mit "kräftigen Hüften und Hintern". Mit Charakter und mit Befindlichkeiten, die zu verbergen sie einfach nicht im Stande ist. "Ich habe viel Zeit in Marseille zugebracht! Das härtet ab."

Irgendwann schließt sie Frieden mit der Tänzerin in ihrem Innern und lässt die Tütü-Wolke, die sie so lange umgeben hat, einfach platzen. "Ich bin das nicht", sagt die heute 24-Jährige. "Aber ich habe Kraft." Und die nahm auch der Ballettchef der Rheinoper, Martin Schläpfer, sehr bald wahr. Er hält Louisa Rachedi für eine seiner begabtesten Tänzerinnen. "Louisa ist ist ohne Zweifel eine Ausnahmebegabung. Hochmusikalisch. Die technische Virtuosität und Selbstverständlichkeit, mit der sie auf der Spitze tanzt, habe ich so ausgeprägt noch nicht häufig gesehen."

Deswegen wählte er sie zuletzt für die Zweitbesetzung in "Ramifications" aus. Das Solostück hatte er in Mainz ursprünglich für Marlucia do Amaral choreographiert, es wird zurzeit im Rahmen von b.05 gezeigt.

Louisa Rachedi, die aus dem südfranzösischen Albi nahe Toulouse stammt, kommt zu Beginn der Spielzeit 2007/2008 nach Düsseldorf. Sie tanzt zunächst unter Youri Vàmos und bleibt, als Martin Schläpfer die Leitung des Balletts übernimmt. Die Zusammenarbeit mit ihm macht den Schub, den sie als 13-Jährige zum ersten Mal gespürt hat, zu einem beständigen Begleiter. "Damals habe ich beim Prix de Lausanne vorgetanzt und merkte, dass ich wirklich gut bin. Dass ich über mich hinauswachsen kann." Dass körperliche Biegsamkeit sehr viel wert, aber Mut alles ist.

Die Umgebung, die sie braucht, um Höchstleistungen zu vollbringen, ist durchwirkt von Struktur und Disziplin. "Ich bin temperamentvoll, daher kommt mir ein solches Umfeld entgegen." Aber auch die mit Bedacht eingesetzte Kraft einer Monique Janotta, die bis zu ihrer Pensionierung im Juli als Ballettmeisterin die junge Tänzerin für das jeweilige Stück formte.

Schläpfer jedoch, sagt Louisa Rachedi, habe sie letztlich ihren inneren Durchbruch zu verdanken. "Bei Martin zählt der Tänzer als Einzelner. Er sagt: ,Jeder von euch ist ein Solist’." Louisa glaubt, dass die psychologische Feinarbeit und die hohen Erwartungen des Ballettdirektors gleichermaßen das Beste aus ihr herausholen. "Aber ich muss noch lernen, mich gehen zu lassen. Das Improvisieren fällt mir schwer. Da fühle ich mich verloren."

Vielleicht hat ihr Chef sie gerade deswegen vor ihre bislang größte Herausforderung gestellt: "Ramifications" nach der Musik des zeitgenössischen Komponisten György Ligeti. Das höchst anspruchsvoll choreographierte Stück ist eine getanzte Kurzgeschichte, die vom Bangen, Hoffen und der Zuversicht erzählt. "Nein, gefragt hat er mich nicht", sagt Louisa. "Es hing am schwarzen Brett, dass ich die B-Besetzung sein werde. Ich dachte, ich bekomme eine Herzattacke."

Louisa Rachedi sucht die großen Aufgaben nicht, es ist vielmehr so, dass diese nach ihr greifen. Sie selbst meint, sie sei angekommen, hier in Düsseldorf, das ihr nach Marseille und Toronto zunächst provinziell vorkam. "Ich habe mein Leben gefunden, hier bleibe ich."

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