Die Künstler zieht es zum Worringer Platz

„Wer will schon eine gerade Wand?“ Junge Künstler haben den Charme der verkehrsumtosten City für sich entdeckt.

Düsseldorf. Max Mayer kam vor einem Jahr. Der 28-Jährige suchte ein Ladenlokal für seine Galerie und fand die Worringer Straße 57. Ein absolut unspektakulärer Ort an einer stark befahrenen Straße, eingefärbt vom Schmuddelkolorit der Bahnhofsgegend. Max Mayer stört das nicht. „Meine Galerie sollte zentral liegen. Mir ist an einer guten Verkehrsanbindung gelegen.“ Der Tipp, sich rund um den Worringer Platz umzuschauen, kam von Freunden. Darunter Künstler, die in den Hinterhöfen an der Worringer und der Kölner Straße ihre Ateliers haben, seit Flingern zu teuer geworden ist.

Ausgerechnet an einem der hässlichsten Plätze Düsseldorfs lassen sich neuerdings Schöngeister nieder. Maler, Fotografen, zunehmend auch Studenten. Kunstmäzenin Julia Stoschek hat einen Ausstellungsraum eröffnet, der musikavantgardistische Club „Foyer“ feiert in diesem Jahr sein zweijähriges Bestehen. Um die Ecke von Mayers Galerie an der Gerresheimer Straße liegt „Sascha“, ein Restaurant in einer ehemaligen Pommesbude mit sehr gutem Essen, dessen selbstgebasteltes Inventar eine Ästhetik der Geschmacklosigkeit pflegt.

„Was zu schön ist, wird als kleinbürgerlich gesehen“, sagt Julia Reich. „Wer will schon eine perfekte Wand in seiner Wohnung?“ Sie ist Mitte 20, studiert und hat im vergangenen Jahr mit Gleichgesinnten einen Kunstverein gegründet. An der Worringer Straße haben die jungen Frauen eine ehemalige Lagerhalle samt Kellerräumen für zwei Monate gemietet. Dort stellen sie bis zum 25. November junge Gegenwartskunst aus Warschau und Düsseldorf aus. Nurkan Erpulat, Regisseur am Schauspielhaus, prophezeite erst kürzlich in der WZ, der Worringer Platz sei stark im Kommen und Düsseldorfs einziger Ort mit Metropolen-Aura. Wenn, dann würde er dort und nirgends sonst eine Wohnung kaufen.

Der Worringer Platz also ein neuer Knotenpunkt für Subkulturelle und etablierte Kunstschaffende? Ein Quartier mit Notting-Hill-Potenzial? Dazu braucht es schon ein ganze Menge Fantasie. Wenn auch die Mietpreise eben diese hier und da beflügeln. Nach Informationen der WZ zahlen manche junge Künstler für eine alte Werkstatt 3000 Euro pro Monat, und Max Mayer will über seine Miete gar nicht erst sprechen.

„In dieser Gegend ist es noch spannungsreich, keine Frage“, sagt er. „Aber das hat nichts mit Sozialromantik zu tun. Hier gibt es auch harte Punkte und Menschen, denen es schlecht geht.“ Trotzdem sind ihm Bordelle und dubiose Hinterhofmoscheen eine angenehmere Nachbarschaft als ein Wollladen, der den gerade erwachten Stricktrend bedient. „Ich spüre hier keine große Veränderung“, sagt Mayer. „Immobilienwahrsagerei interessiert mich nicht die Bohne. Gentrifizierung ist ein ideologischer Kampfbegriff, mir widerstrebt ein solches Lagerdenken. Ich habe hier einen Glaser, Rahmer und ein Fotostudio gleich um die Ecke. Das zählt.“

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