Je bunter die Stadt, desto besser

Die beiden Seiten der Gentrifizierung

Selten hat ein fachsoziologischer Begriff eine solche Karriere hingelegt. Zum Schlagwort geworden ist die Gentrifizierung, für manchen sogar ein Schimpfwort. Kaum eine Debatte über Stadtentwicklung kommt ohne sie aus, Protestwellen schwappen durch die Republik. In Düsseldorf geht es dabei noch gesittet zu: Das Netzwerk Freiräume für Bewegung schaut bei Richtfesten für Luxusneubauten höchstens mal in Anzügen und mit Sektflaschen vorbei. Im Internet kursieren sogar Anleitungen zur Anti-Gentrifizierung: zerbrochene Fensterscheiben solle man simulieren, überfüllte Wäscheständer auf den Balkon stellen und Satellitenschüsseln an die Fassade schrauben.

Doch ist es wirklich so schlimm, wenn zunehmend Besserverdiener in ein Viertel ziehen? Wenn die Mieten zwar steigen, aber die Häuser saniert werden, die Stadt sich also erneuert? Die Antwort ist: Es kommt drauf an. Natürlich ist es gut, in sozial belasteten Quartieren Aufwertungsprozesse in Gang zu bringen, beispielsweise durch studentisches Wohnen in Wersten. Auch die Entwicklung Flingern-Nords vom Arbeiter zum Szeneviertel ist natürlich toll. Problematisch wird es nur, wenn die Mischung, die das Viertel zurzeit noch ausmacht, sich zur Monokultur für betuchte Mittelschichten entwickelt. Und zwar nicht nur, weil dort das Flair flöten geht, Künstler sich eine neue Bleibe suchen müssen und alteingesessene Bewohner sich das Leben dort kaum noch leisten können. Sondern weil mehr bunte Flecken in der Stadt bedeuten, dass Gruppen mit gleichem sozialem Status weniger unter sich bleiben. Das ist friedensstiftend und Nährboden für Innovationen, was auch wirtschaftlich relevant ist: Junge, kreative Eliten wollen sich an spannenden, urbanen Orten niederlassen. Und da hat Düsseldorf mit Blick auf Berlin, Hamburg und sogar Köln Nachholbedarf.

Was die Stadt tun kann, haben die Soziologen Reinhold Knopp und Volker Eichener im WZ-Interview deutlich gemacht: Städtische Grundstücke nicht an den Meistbietenden verkaufen, sondern an den mit der besten Idee für das Viertel. Die Bedürfnisse der Bewohner berücksichtigen. Alternative Nischen bewahren. Landwirtschaftliche Flächen als Bauland ausweisen. Die Städtische Wohnungsgesellschaft besser ausstatten und zur Stadtentwicklung nutzen. Jetzt ist die Verwaltung am Zug.

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