Ingenhoven — der Weltarchitekt

Christoph Ingenhoven plant auf dem ganzen Planeten und ist ein Vorreiter grüner Architektur.

Düsseldorf. Einen Termin mit Christoph Ingenhoven zu bekommen, ist keine einfache Sache. Erst liegt er in weiter Ferne, dann wird er abgesagt. Schließlich klappt es. Treffpunkt Plange-Mühle. Das Gebäude gehört dem Düsseldorfer Architekten, dort residieren auch der Kaffee-Multi Nespresso und die Toten Hosen. Ingenhoven ist im Großraum-Büro zunächst nur aus der Ferne auszumachen, seine freundliche Assistentin bittet um Geduld. Es ist zu beobachten: Die Firma heißt Ingenhoven architects — und der smarte Chef ist der Impulsgeber, der Gestalter und Kommunikator.

Ingenhoven wechselt von Team zu Team, berät dort, fragt hier. In diesem Büro wird deutsch und englisch gesprochen, die rund hundert Planer, Ingenieure und Industrie-Designer stammen aus 20 Nationen. Viele Projekte aus aller Welt sind in Arbeit. Der 51-jährige Chef absolviert im Jahr zwölf Wochentripps irgendwohin auf den Erdball, hinzu kommen Kurzreisen.

Zu besprechen gibt es also genug. Für die Staatsfonds von Malaysia und Singapur entwickelt Ingenhoven gerade ein Projekt mit 400 000 Quadratmetern Nutzfläche — das ist zehn Mal so viel wie die Libeskind-Bauten auf dem Jan-Wellem-Platz. Google hat ihm den Auftrag für ein neues Headquarter erteilt. Es geht um Platz für 3000 Wissenschaftler und Ingenieure. Simple Anforderung: Es soll das beste und gesündeste Gebäude der Welt sein.

Vom Besten und Gesunden ist es nicht weit zum Grünen — nicht nur Ingenhovens Identitätsthema, sondern Grundstein für seinen globalen Erfolg. Und dann kommt er, hat Zeit, sogar mehr als vereinbart. „Supergreen“ ist sein Begriff, er hat ihn sich schützen lassen, und er spricht gerne und in schönen Worten darüber. Das ist teils Marketing, aber Ingenhoven hat ein Anliegen: „Wir müssen Architektur zurückbringen zur Verantwortung, die sie in den letzten 50 Jahren eher nicht hatte. Ich lehne die Chinaisierung und Dubaiisierung der Architektur ab.“ Er spricht vom politischen Charakter, aber eigentlich meint er ethisch-moralische Grundsätze. Seine Architektur kostet reichlich Geld, aber in den Augen des Planers zahlt sich Qualität aus — zuvorderst durch motivierte Mitarbeiter. „Natürlich kann ich als Architekt nicht die Welt verändern, aber ich kann die Verantwortung für einen beschreibbaren Kreis von Menschen oder Dingen übernehmen.“

Das 320 Meter hohe Luxus-Hotel Burj al Arab in Dubai zählt für Ingenhoven zu den schlimmsten Häusern der Welt. „Alles, was man nicht tun sollte, und auch noch an der falschen Stelle gebaut.“ Egoismus pur. „Davon gibt es nicht wenig, und viele Architekten werden dafür auch noch gelobt.“ Die Bauhaus-Architekten der 20er Jahre dagegen haben in seinen Augen wichtige Fragen gestellt. „Es gab eine interessante Debatte über die soziale Qualität von Architektur, es ging um menschenwürdiges Wohnen, billigeres und gesünderes Wohnen, um Wohnklima.“

Ingenhoven entfaltet seine Argumentation mit missionarischer Kraft — und mit Ergebnissen, sammelt bei den einschlägigen Zertifizierungen fünf- und sechs Sterne. Die Ziele sind klar: Häuser können CO2-neutral sein, die erforderliche Energie kann im oder am Gebäude erzeugt werden. Das sind die Herausforderungen unserer Zeit, und Ingenhoven entwickelt Lösungsvorschläge. Dabei versucht er stets, nicht nur die Anforderungslisten der Prüfer abzuarbeiten, sondern weitere Ideen zu generieren.

So wird das Gebäude für die Daniel Swarovski Corporation am Zürichsee komplett mit Seewasser beheizt und gekühlt. Und in Sydney baute Ingenhoven einen 136 Meter hohen Glasturm — erstmals in Australien mit Doppelfassade —, der teils ohne Klimaanlage auskommt. Im Keller gibt es 300 Stellplätze für Fahrräder und 300 Duschen. Ankermieterin auf vier Etagen: die australische Ministerpräsidentin.

Ebenso wichtig wie die grüne Frage ist der Standort selbst, die Umgebung. „Wir versuchen, was wir nehmen, zurückzugeben.“ Hört sich kompliziert an, ist jedoch einfach: Bei Swarovski bildet das Gebäude ein Halbrund, der sich ergebende Platz auf privatem Grund ist öffentlich. Ein Wohnhaus im Hamburger Hafen steht auf Stelzen, unten sitzen die Touristen auf der Treppe. Und bei Stuttgart 21 war Ingenhoven der Einzige, der den Bahnhof in die Tiefe legte — damit oben nicht Gleise liegen, sondern ein Stadtpark Platz greift.

Solch eine umfassende Planung war auch der Kö-Bogen, den Ingenhoven entwarf. Mehr Park, Autos in die Tiefe, ein geschwungenes Glasgebäude auf dem Jan-Wellem-Platz: Das war Ingenhovens Idee — und die Landeshauptstadt hat ihm unrecht getan, als er aus dem Verfahren hinausgedrückt wurde. Kein Einzelfall, dergleichen hat der Düsseldorfer mehrfach erfahren. Aber er ist gut genug, an anderer Stelle mit spektakulären Projekten zum Zuge zu kommen.

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