Tänzerin Marlúcia do Amaral: Wille zur perfekten Bewegung

Marlúcia do Amaral ist eine Ausnahmetänzerin. In Düsseldorf veränderte sie sich. Das gefällt ihr.

Marlúcia do Amaral steht in Paris auf der Bühne, als sie ihren Preis entgegen nehmen soll. Ein Gastspiel im Théâtre de la Ville. Zehn Tage lang gibt die Tänzerin jeden Abend ihr Bestes. Zwei Werke des Opernballettchefs Martin Schläpfer werden gezeigt, und die 34-jährige Brasilianerin ist in beiden Choreographien eingesetzt, übernimmt teils einen Solopart. Den einzigen freien Tag verbringt sie im Appartmenthotel, um sich auszuruhen. Von Paris, wo sie zum ersten Mal in ihrem Leben ist, sieht sie nur den Louvre.

Marlúcia do Amaral wusste, welche Anstrengung sie in Paris erwartet und verschärfte daher Wochen vorher ihr ohnehin durch und durch gesundes Ernährungsprogramm noch einmal: keinen Alkohol, kein Zucker und so wenig Kohlenhydrate wie nötig.

Do Amaral ist eine außergewöhnliche Frau und ein solches Programm die logische Konsequenz einer Berufsauffassung, die sich zu einer Lebenseinstellung vergrößert hat. „Zu tanzen, ist nicht einfach nur ein Job. Es ist viel, viel mehr.“ Und weil jeder ihrer Auftritte sichtbar von dieser Überzeugung getragen wird, ging einer der beiden Förderpreise für darstellende Kunst 2012 der Stadt Düsseldorf an sie.

Mit Martin Schläpfer kam do Amaral 2009 von Mainz nach Düsseldorf und vollzog hier den Schritt von der herausragenden Technikerin zur feinsinnigen Künstlerin. „Ich bin an einem Punkt angekommen, an dem ich die Bedeutung dessen, was ich tanze, ergründe und mich immer wieder frage, wie ich es dem Publikum am besten übermittle“, sagt do Amaral. Eine Perfektionistin ist sie. Zwangsläufig. „Du weißt ja nie, ob du eine zweite Chance bekommst. Es gibt viele herausragende Tänzer.“

Wenigen jedoch gelingt das Kunststück, die Schicht unter der vollkommenen Bewegung freizulegen, wenn do Amaral tanzt, offenbart sie Denkräume, erzählt Geschichten. Sie füllt ihre Rollen mit Wissen an — über die Musik, den Komponisten, das Zeitgeschehen, diskutiert mit Schläpfer. Tanzt mit ihm. „Das war das Schönste überhaupt“, sagt Marlúcia do Amaral über den gemeinsamen Auftritt in Hans van Manens „The old man and me“. „Ein bisschen nervös war ich, schließlich ist er mein Boss. Aber als wir angefangen haben, fühlte es sich ganz natürlich an.“

Seit sie von Mainz nach Düsseldorf wechselte, spürt sie eine größere Verantwortung — für ein größeres Haus, für das Publikum, für einen Choreographen, der einen Namen hat und den sie als Tänzerin repräsentiert. „Ich will nicht mehr die gleiche Marlúcia wie in Mainz sein. Früher haben die Zuschauer gesagt: Toll, wie hoch du dein Bein kriegst. Jetzt sagen sie: Wir sind gespannt, was du diesmal machst. Das ist eine schöne Erwartungshaltung.“

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