Ein Kellerreich aus Fantasie und Spitze

Im Fundus unter der Oper lagern mehr als 50 000 Kostüme aus den verschiedensten Inszenierungen.

Ein Kellerreich aus Fantasie und Spitze
Foto: Melanie Zanin

Düsseldorf. Es ist eine Welt, über der ein Schleier aus Kunst und Spitze liegt, eine Welt der Fantasie, der Illusionen, der großen Worte. Es ist ein Reich, das zwischen der tiefsten Vergangenheit und der fernsten Zukunft liegt, Brücken zu jeder Epoche schlägt. Begraben liegt es am Ende eines langen Ganges, verborgen unter einer großen Bühne, einem pompösen Bau. Eine Parallelwelt, die 20 000 Meilen unter dem Meer zu liegen scheint und doch durch nicht mehr als einen Wimpernschlag ins Hier und Jetzt befördert werden kann.

Ein Kellerreich aus Fantasie und Spitze
Foto: Melanie Zanin

Es ist eine besondere Unterwelt, in die Wilfrid Schmerbach herabsteigt, eine, wie es sie wohl kein zweites Mal gibt. Fürsten, Kaiser, Küchenmädchen — irgendwann treffen sie hier alle zusammen, prallen aufeinander wie zwei Atome aus kontroversen Universen. Schmerbach betrachtet sie, hegt sie — und mottet sie ein im Fundus der Düsseldorfer Oper, dem Keller-Archiv der Kleider und Roben. 50 000 Kostüme lagern hier, getragen wurden sie oft nur für wenige Monate in einer Inszenierung. Denn für jede Inszenierung der Oper werden eigene, neue, individuelle Kleider geschneidert, Hüte gefertigt, Schuhe hergestellt.

Düsseldorfer Unterwelten: Im Fundus der Oper
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Düsseldorfer Unterwelten: Im Fundus der Oper

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Düsseldorfer Unterwelten

Am Ende landet alles in den Tiefen des Fundus-Kellers. Mitteldicke Metallschienen verlaufen unter der Decke, schweben über jedem noch so kleinen Durchgang. Wie eine Eisenbahn müsse man sich die Funktion der Metallschienen vorstellen, sagt Wilfried Schmerbach. Denn auch die einzelnen Kleider hängen an diesen Stangen, sind auf kleinen Loren sortiert, die an den Schienen hin- und hergezogen werden können. Durch filigrane Weichen können die Fahrtwege eingestellt werden, durch Haken am Ende der Decken-Loren können die Waggons miteinander verbunden werden. Nur eins fehlt der Deckeneisenbahn: Strom. Alles muss von Hand gezogen werden. Im Funduskeller lagern nur Kostüme und Requisiten, die großen Bühnenbilder sind in Duisburg-Wanheimerort eingelagert. Dort stehen auf einem alten Güterbahnhof mehr als 500 Container, in denen die großen Kulissen lagern.

Frank Schlöder ist Fundusverwalter, der Keller sein Arbeitsplatz, sein zweites Zuhause. Er ist der Herr des Schienen-Systems, Herr der Unterwelt. Mit einer langen Stange, die ein bisschen an einen Besenstiel erinnert, zieht der die Wagen hinter sich her. Das Schienensystem sei alt, schon etwas in die Jahre gekommen, sagt er. So komplex es auf den ersten Blick erscheine, so einfach sei es auf den zweiten. Dennoch sei es lästig geworden, jede einzelne Weiche immer wieder neu einzustellen, sich immer stringent nach dem Weg der Metallschienen zu richten.

Oft dienen die alten, eingelagerten Roben auch als Vorlagen für neue Kostüme. Im Hause der Oper gibt es eine eigene Schneiderei und weitere Werkstätten, in denen die Kostüme gefertigt werden.

Kleider, die für Aufführungen noch einmal gebraucht werden, packe er deshalb stets um, lade sie auf Rollwagen. „Das geht schneller“, sagt er und ist plötzlich verschwunden. „Keine Zeit“ ruft er Schmerbach zu und ist schon zwischen zahlreichen Kleiderbergen und Säulen abgetaucht. Manch bizarres Kostüm hängt am Rand der breiten Gänge, ein grünes Nashorn hier, ein lebendiger Stuhl dort. Doch es sind nicht nur Roben, die hier eingelagert sind. Es sind auch Requisiten, Gegenstände, die für gewöhnlich die Bühnenbilder komplettieren.

Eine versteckte Metalltür führt in einen schmalen, aber langgezogenen Raum. Kaum Platz bleibt hier, um sich zu bewegen, links und rechts türmen sich in hohen Regalen Gegenstände aller Art auf. Eine alte Kaffeekanne, ein Hexenbesen, ein Feuerlöscher. Palmenwedel hängen von der Decke herab, in einem alten und an einigen Stellen schon blind gewordenen Spiegel spiegelt sich ein Teddybär. Es sei die Rumpelkammer, sagt Schmerbach, eine Art Vorratsraum, in den alles gepackt wird, was irgendwann noch einmal Gebrauch finden könnte. Der Kammer wohnt ein gewisser Zauber inne, ein Paradies für Träumer, ein Ort für Spieler.

Während in der Zauberkammer alles still ist, sich kein Lüftchen bewegt, herrscht in den Gängen des Kleiderfundus stets ein leichter Zug. Er sorgt dafür, dass die ungeschützt an den Stangen hängenden Roben nicht verstauben. „Oft werden die Kostüme jahrelang nicht bewegt, irgendwann würde sich eine dicke Staubschicht auf ihnen bilden“, sagt Schmerbach.

Seit guten 20 Jahren lagern die Kostüme nun schon unter dem Opernbau an der Heine-Allee — das war jedoch nicht immer so. Bis 1990 hatte der Fundus sein Domizil in der Reizensteinkaserne in Rath. Als es dort jedoch zu eng wurde, zog die Sammlung um, wurde der Keller der Oper hergerichtet. Der gehörte ursprünglich gar nicht dazu, entstand beim U-Bahnbau und würde erst später erschlossen. „Deshalb fahren noch heute unter uns die U-Bahnen, dort befindet sich de Bahnhof Heine-Allee“, sagt Schmerbach.

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