Mottowagen „Merkozy“ geht’s an den Kragen

Jacques Tilly und sein Team verschrotten die Rosenmontagswagen. Campino bleibt, das Gauck-Ei wird versteigert.

Düsseldorf. Mit einem Satz erklimmt Jacques Tilly den Oberarm von Angela Merkel, schwingt das Bein über die Hand von Nicolas Sarkozy. Ein Griff an die Nase des französischen Präsidenten, dann hat Düsseldorfs Wagenbaumeister sein Ziel erreicht — und versinkt im Dekolleté der Kanzlerin.

„Huch“, ruft Tilly. Neben ihm erscheint Rosenmontagszugleiter Hermann Schmitz. Die Männer hinterlassen eine Spur der Verwüstung: Arm und Brust sind von tiefen Löchern gezeichnet, der Blick ist frei auf Draht und Holzgestell. Macht nichts. „Merkozy“ ist dem Abriss geweiht.

Am Tag zuvor noch hat Düsseldorf, nein, das ganze Land gespannt auf die Enthüllung der geheimen Gemeinheiten gewartet, die Jacques Tilly in seinem Kämmerlein ausgeheckt hat. Bissiger Witz und Detailverliebtheit haben beeindruckt — am Dienstag wurden die Container vorgefahren, verschwanden darin liebevoll gestaltetes Dekor von Motto- und Gesellschaftswagen.

Und dabei gehen die Männer nicht zimperlich vor: Mit Zangen, Bagger und bloßen Händen reißen sie Gips, Papier und Draht von den Wagen, türmen die Reste zu bunten Haufen auf.

„Merkozy“ erhält eine Sonderbehandlung: Mit einer Zange drischt Tilly auf die Nase des Präsidenten ein. „Die hält einiges aus, da ist viel Gips drin“, sagt er und rüttelt kräftig an Sarkozys Kopf. Schmitz tätschelt derweil Merkels Wange.

„Hier ist was gelandet“, stellt er fest und zieht eine winzige Flasche Likör aus einem Loch im Papier. „Leicht fällt es mir nicht, das alles kaputt zu machen“, gibt Schmitz zu. Nur wenige Motive werden verschont: „Campino bleibt.“ Sollte der Sänger der Toten Hosen die Figur haben wollen, bekommt er sie, sagt Schmitz. „Sonst gibt’s vielleicht einen Platz im alten Stadion an der Brehmstraße oder im Dome. Oder wir versteigern sie.“

Auch das Gauck-Ei wird verwahrt — beim Frühstück erreicht Tilly eine Mitteilung: Ob eine Zeitung das Ei für „Ein Herz für Kinder“ versteigern könnte? „Das ist nicht schlecht“, sagt Schmitz. Bundesadler Wulff hingegen wird abgerissen.

„Da haben wir schon ganz andere Sachen gebaut.“ Zum Beispiel Papst Benedikt. Dessen Konterfei ziert seit 2009 Tillys Atelier. Auch Prinz Charles, Lena und Stefan Raab, der Bergische Löwe und ein Merkel-Kopf haben die Veilchendienstage der vergangenen Jahre überlebt.

Der erste Wulff-Wagen hat es übrigens bis zum Drahtgestell gebracht: Ein aufrechter, gerupfter Bundesadler sollte es werden — dann kam der Rücktritt. „Den kannst du lassen, wir stellen ihn auf den Kopf, hab’ ich zu Jacques gesagt“, erzählt Schmitz. „Aber er hat den Ehrgeiz, es perfekt zu machen und einen neuen gebaut.

Das Ei sollte eigentlich größer werden und Gauck herausschauen. Da hat das Team gestreikt.“ Zehn Entwürfe hatte Tilly für den Wagen gezeichnet: als Schwein über einem Grill oder über und über mit Leim bedeckt. Schmitz ist zufrieden: „Der Adler war mein Favorit.“

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