Kultur in Flingern: „Hoffentlich wird Moni nie kernsaniert“

Flingern hat noch ein paar Orte, die resistent sind gegen Gentrifizierung. Nebenan in Düsseltal gibt es Raum für Musiktalente.

Kultur in Flingern: „Hoffentlich wird Moni nie kernsaniert“
Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Wie vielfältig ist das kulturelle Leben in Flingern und Düsseltal?
Sabine Krusekopf:
Flingern, ein ehemals durch Industrie und Handwerk geprägtes Viertel, hat sich zu Düsseldorfs In-Viertel entwickelt. Seit einigen Jahren haben sich viele kleine individuelle Läden angesiedelt. Zum Beispiel Rikiki an der Lindenstraße, wo es Ausgesuchtes rund um Grafik und Druck gibt. Oder Suburbia, wo Renate ausschließlich nachhaltige Mode führt und in dem junge Designer ihre kurzzeitigen Pop-Up-Stores eröffnen können.

Kultur in Flingern: „Hoffentlich wird Moni nie kernsaniert“
Foto: J. Michaelis/S. Lepke

Philipp Maiburg: Sehr vielfältig und mit größtmöglichem Spagat. In Flingern findet man neben bekannten Größen wie dem Zakk, den Veranstaltungen der HPZ Stiftung, der etablierten (Konrad Fischer) und jüngeren (Galerie-t an der Hermannstraße) Galerie- Szene, oder der Stadtteil-Bücherei an der Flur-, Ecke Hoffeldstraße immer wieder auch Formate die an zwischengenutzten Orten nur für einen kurzen Zeitraum stattfinden: Konzerte auf verlassenen Fußballplätzen (Sourced-Out am Flinger Broich), Grafik-Büros die zu Ausstellungen in ihre Räume einladen (Open Studio an der Hoffeldstraße) oder Straßenfeste (Flurstraßen-Fest, Hermannsplatz-Fest, Zakk-Straßenfest).

Immer wieder entwickeln sich neue Formate und Ideen. Düsseltal, Zoo, Grafenberg und Mörsenbroich verstehen sich eher als Wohnviertel. Hier will man seine Ruhe haben und geht auf der Rethelstraße einkaufen. Dennoch verbirgt sich auch hier einiges: zum Beispiele das Haus der Jugend an der Lacombletstraße. Das liefert mit der Jungen Aktions Bühne einen wichtigen Beitrag des kulturellen Angebots der östlichen Stadtteile. Orte für Jugendliche werden nämlich gerne auch mal vergessen. Nicht jeder 16-Jährige verbringt seine Freizeit auf Kunstrasen-Plätzen. Die „JAB“ bietet mit Live-Musik-Reihen (Tuesday Meets & Beats), Rap-Workshops (mit Jay Jay), Band-Contests (City Beats) einiges an Raum für den popmusikalischen Nachwuchs.

Wo spielt abends die Musik?
Krusekopf:
Unter der Woche kann man zu Markus ins Café Rekord an der Lindenstraße, Ecke Hoffeldstraße gehen. Freitags steht er am Plattenteller und spielt seine Lieblingssongs oder er lädt Freunde ein, die das übernehmen. Wer Soul und Hip-Hop liebt und tanzen möchte, für den gibt’s (noch) mitten in Flingern die Trinkhalle im Hinterhof an der Ackerstraße 144.

Maiburg: Das Zakk bleibt trotz gefühltem Ü-30/40/50-Schwerpunkt der Ort, an dem in Düsseldorf regelmäßig national und international etablierte Bands gastieren. Miguel Passarge beweist mit seinem Booking immer ein gutes Händchen. Ich freue mich jetzt schon auf den Auftritt der Londoner Band JUNGLE am 25. November 2014! Leider muss die Trinkhalle ja bald dem Wohnungsbau weichen. Damit fehlt dem Viertel ein Ort. den er eigentlich braucht.

Wo bekommt man sein kleines intellektuelles Abenteuer?
Krusekopf:
Auf alle Fälle in der Filmwerkstatt. Dort kann man im Keller auf dicken alten Sofas jede Art von Film sehen: Independent, Low-Budget, Doku, Kunst. Die Filmwerkstatt organisiert im August auch Filmnächte, die Lichtspiele.

Maiburg: Als wir mit dem Open-Source-Festival unser Büro noch an der Ackerstraße hatten, teilten wir uns den Hinterhof mit Angela Spook. Manchmal öffnet sie ihre Wohnräume für Gäste. Das ist eine Erfahrung, die einem kein anderer Ort bieten kann.

Wo wird die Lust auf Bilder befriedigt?
Krusekopf:
Die Frage lässt sich leicht beantworten: An jeder Ecke! Flingern hat eine extrem lebendige Kunstszene. Es gibt jede Menge Galerien; darunter die renommierte Konrad Fischer, aber vor allem auch junge wie Van Horn an der Ackerstraße 99 oder Lin Lühn an der Birkenstraße 43. Und nicht zu vergessen das Hüftgold. Wer in dem über Stadtgrenzen hinaus bekannte Café draußen auf der Bank sitzt, hat Jürgen-Teller-Momente.

Mein Kulturliebling
Krusekopf:
Die Lichtspiele in der Filmwerkstatt auf der Birkenstraße. Das fand früher auf dem Ueckerplatz im Hafen statt.

Maiburg: Die echtesten Talks und authentischsten Biere gibt’s bei Moni im Fortuna Eck an der Hoffeldstraße. Hoffentlich noch lange hier vorzufinden und niemals weg gentrifiziert, kernsaniert oder sonstiges . . .

Welcher ist der Höhepunkt des Jahres?
Krusekopf:
Zwei Straßenfeste: das auf der Bruchstraße und das auf der Kiefernstraße. Im Sommer ist es toll, ganz früh morgens oder kurz vor Kassenschluss ein paar Bahnen im Allwetterbad zu schwimmen, mit dem Rennrad Richtung Grafenberg und Mettmann zu radeln oder abends der Musik in der Liebfrauenkirche an der Ackerstraße zu lauschen.

Maiburg: Das Hermannsplatz-Fest im und das D/C Open (Düsseldorf-Kölner Galerienwochenende) im Sommer.

Wo trifft man sich?
Krusekopf:
Ich finde, das ist keine Frage des Ortes, sondern der Atmosphäre. Diesen Sommer haben Freunde von uns auf dem Bürgersteig einfach eine Tafel aufgebaut, den Grill aufgestellt und Freunde spontan per SMS eingeladen. Jeder brachte was Kleines mit, Bier und Wein. Der Gastgeber nannte das Ganze „La Trottoir“. Es war wunderbar.

Maiburg: Samstags auf dem Hermannsplatz oder täglich im Cafe Rekord. Aber die besten weil unvorhersehbarsten Gespräche führt man am Kiosk, beim Bäcker oder an der Kasse beim türkischen Gemüsehändler Dikel, Acker-, Ecke Dorotheenstraße.

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