Nam June Paik, der große Zauberer

Der Vater der Video-Kunst erhält eine Retrospektive im Museum Kunst Palast.

Düsseldorf. Nam June Paik (1932-2006) führte die moderne Technologie in die Kunst ein, nicht als gläubiger Technik-Fan, sondern als Komponist, Dadaist und Konzept-Künstler. Der "Vater der Videokunst" war ein kluger Querkopf aus Seoul, der aus Liebe zu Arnold Schönberg 1958 im Kölner WDR-Studio für elektronische Musik landete und im selben Jahr die große Dada-Schau im Düsseldorfer Kunstverein sah.

Die Retrospektive im Museum Kunst Palast setzt 1959 ein, als er seinen Einstand als bildender Künstler in der Düsseldorfer Galerie 22 gab. Und sie endet mit einer spektakulären Laserschau, denn seine letzten Werke waren große Multi-Monitor-Video-Installationen.

Paik begann als Akteur und als Provokateur. Bei seiner Vernissage 1959 warf er ein Ei an die Wand, zerschlug eine Glasscheibe, stieß eines der Klaviere um und setzte die Szene mitsamt dem Publikum ins Dunkle. Von nun an spielte er den lachenden Neo-Dadaisten und Entertainer, mit TV-Robotern, mit Striptease-Elementen der barbusig agierenden Muse Charlotte Moorman, mit TV-Geräten zum Sitzen, Stehen und Liegen.

Anfangs glossierte er seine eigene Unfähigkeit im Malen, indem er 1961 einen Schlips in schwarze Tusche tunkte und den getränkten Stoff über dem weißen Untergrund pendeln ließ. Das Ergebnis an der Wand ist eine Alternative zur klassischen asiatischen Kalligraphie.

Sein "Buddha-Garten" führt in ein recht modernes Nirwana. Die Figuren werden von Videokameras hinter Monitoren gefilmt und scheinen sich im TV-Bild selbst zu bespiegeln. Kaum hat Paik den Zen-Buddhismus persifliert, nimmt er die romantischen Gefühle der Deutschen aufs Korn. Eine Abfolge von Himmelskörpern in Fernsehkästen wirkt wie eine poetische Naturverehrung. Doch der bläulich-weiße Schein der Bildröhren täuscht. Dazu gibt es verschiedene Musik-Beispiele, die er beim Sampling, also beim Einbauen fremder Musik und Tonmaterialien in eigene Stücke, erzeugte.

Der Rundgang ist kurzweilig. In diversen Projektionen steigt die nackte Muse Moorman aus alten Ölfässern und geigt, lediglich mit Bildschirmen den Busen bedeckend, während man von Paik die Hände sieht, die in die Tasten eines zerstörten Klaviers greifen. Derweil tummeln sich Fische in realen Aquarien und werden von Videos hinterleuchtet.

Mit dem Fernsehtechniker Shuya Abe hatte Paik 1969 einen Video-Synthesizer entwickelt, der die Bilder verzerrt. In unserer heutigen Medienwelt wirkt der Turm wie ein Relikt aus einem Technik-Museum. Vor 40 Jahren waren Schaltknöpfe jeder Art für Kontraste, Helligkeiten und Farben nötig, während wir Nachgeborenen mit einer kleinen Fernbedienung auskommen.

Paiks Roboter wirken vorsintflutlich. "Tante" hat ein dickes Lampenglas als Kopf, dem Paik mit ein paar Strichen ein leichtes Grinsen entlockt. Ein Radio dient als Brüste, diverse Apparaturen ersetzen die Glieder. "Onkel" ist mit Batterien, Schaltbirnen und Fernsehgeräten bestückt. Ein Höhepunkt der Schau ist ein "Laser-Trichter" von 2001. Hier erweist sich Paik als Zauberer, der mit seinen aufblitzenden Lichtern betört. Wer will, kann ins Zeltinnere kriechen und von Liegekissen aus die sphärischen Zeichnungen im medialen Himmel bewundern.

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