Düsseldorf ist gut vernetzt

Satteilchen: Diesmal geht der Blick von WZ-Kolumnist Hans Hoff himmelwärts: Oberleitung unter Spannung

Düsseldorf ist gut vernetzt
Foto: dpa/Archiv

Düsseldorf. Spiderman was here. Kein Zweifel, der Comicheld, der spinnengleich von Hauswand zu Hauswand hüpft, war in Düsseldorf. Er hat Spuren hinterlassen. Fäden, Schnüre, Stränge. Von hier nach da ziehen sie sich und von da nach hier. Manchmal überkreuzen sie sich, bilden Netze, verdicken und verschlanken. Sie reichen von einem Haus zum anderen, und sie korrespondieren mit den eisernen Strängen im Boden. Wo im Boden poliertes Eisen seinen Weg findet, sind obendrüber auch die Spiderman-Netze.

WZ-Autor Hans Hoff.

WZ-Autor Hans Hoff.

Foto: dpa/Archiv

Sie sind da, aber keiner beachtet sie. Das passt zum erfundenen Genre. Im Comic passieren eben viele Dinge, die von den meisten Menschen nicht für möglich gehalten oder zumindest nicht wahrgenommen werden. Was nicht wahrgenommen wird, existiert nicht. Und doch ist es so. Düsseldorf ist vernetzt, und niemand will es wissen.

Dabei müsste man nur mal den Kopf heben in jenen Straßen, in denen die Straßenbahn ihren Weg sucht, müsste nur mal schauen, was sich oben tut. Man sähe dann etwa in der Duisburger Straße, wie Drähte die Luft zerschneiden, wie sie sich an der Kreuzung zur Nordstraße scheinbar verwickeln, wie sie auf der Aachener Straße immer gerade Wege nehmen, so als wollten sie durch ihr Sosein die Regel bestätigen, dass die kürzeste Verbindung von zwei Punkten eine Strecke ist.

Oberleitung haben wir das früher genannt, und manchmal, wenn eine Bahn vorbeifuhr, blitzte es aus den Drähten. Ich habe es lange nicht mehr blitzen sehen. Offenbar hat man die Technik der Stromversorgung so weit entwickelt, dass sie beinahe reibungslos funktioniert. Die Bahn schiebt ihre Fühler ans Netz, und das Netz gibt ihr Strom, Kraft, Elan. Dann geht es los. Mit Schwung, mit den typischen Geräuschen einer Bahn.

Die einen surren, die andern scheppern, und wieder andere klingen gelegentlich noch ein bisschen, als versuche man, mit einer Gabel auf einer Schiefertafel zu schreiben. Der Strom aber kommt lautlos in die Bahn. Er schiebt sie an. Die Frage, woher dieser Strom kommt, stellt sich niemand, der in der Bahn sitzt. Warum eigentlich? Weil die Bahn eine Selbstverständlichkeit ist. Manche meinen, sie bewege sich durch die Kraft, die entsteht, wenn man sein Mehrfahrtenticket in den Automaten schiebt und es dann klick oder pling macht.

Nein, so ist es nicht. Denkt man erst einmal drüber nach, schweift der Blick rasch an den Niederrhein, wo die Braunkohlekraftwerke stehen. Es entsteht die Vorstellung, dass irgendwo dort draußen jemand mit einer Schüppe steht. Mit der schaufelt er Kohle in einen Ofen, in dem das Höllenfeuer brennt. Und oben kommt dann der Strom raus, der über lange Leitungen nach Düsseldorf geführt wird.

Ist nur eine Vorstellung. Wahrscheinlich werden Düsseldorfer Straßenbahnen längst mit grüner Energie betrieben. Wahrscheinlich dauert es nicht mehr lang und die Bahnen bekommen obendrauf einen Sonnenkollektor oder eine Art Ventilator, und dann fahren sie mit Licht oder dem Fahrtwind, den sie selbst erzeugen und dann wieder zu Strom machen.

Wenn es so weit ist, werden auch all die Drähte überflüssig, dann müssten sich die Düsseldorfer etwas Neues zum Ignorieren suchen. Aber natürlich ist das Zukunftsmusik. Noch ist es nicht so weit. Noch sind die Netze in der Luft die Lebensadern der Bahn. Noch ist Spiderman emsig.

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