Niko Offert: Die Stimme der Fortuna-Fans

Düsseldorf. Seit zehn Jahren gibt Niko Offert (29) in der Fankurve den Ton an. Ein Gespräch über die Ultras und die Entwicklung der Fanszene.

Herr Offert, Sie stehen meist mit dem Rücken zum Spielfeld und heizen die Fankurve an. Wie viel sehen Sie eigentlich vom Spiel?

Niko Offert: Bei Heimspielen sehe ich alles, weil ich nun ein Mikrofon samt Lautsprecher habe und mit dem Gesicht zum Spielfeld stehe. Auswärts mit Megafon kriege ich nicht immer alles mit. Das war früher bei der Qualität der Spiele teilweise auch eine Genugtuung (lacht). Jetzt ist es manchmal ärgerlich.

Trainieren Sie ihre Stimme?

Offert: Ich bin vor jedem Spiel beim Stimmbandtraining bei Bernd Restle (Fortunas Physiotherapeut, Anm. d. R.), abgesprochen mit Trainer und Mannschaft. Nein, im Ernst, die Stimme ist einfach da. Ich war auch schon seit Jahren nicht mehr erkältet.

Wie kamen Sie zu der Rolle?

Offert: Ab Ende der 90er Jahre hatten sich verschiedene Leute daran versucht, die es aber nicht bei jedem Spiel machen konnten oder wollten. Ich war genervt, wie unkoordiniert die Stimmung bei Fortuna war — und habe es dann einfach mal gemacht. Es wäre aber gelogen, wenn ich sagen würde, dass nicht auch Profilneurose dabei war. Man muss dafür auch etwas extrovertiert sein.

Sie sind ja nicht nur Vorsänger, sondern auch Kopf der Ultras Düsseldorf. Beschreiben Sie die Gruppe bitte mit ein paar Worten.

Offert: Autonomie und Selbstverwaltung, Anecken und Kritik an den Auswüchsen des Profifußballs — und vor allem Kreativität und Leidenschaft für den Verein. In erster Linie sind wir Fußballfans, auch wenn wir unser Fanleben anders definieren als andere.

Dazu gehört auch Pyrotechnik.

Offert: Für uns ist das ein optisches Stilmittel. Bengalische Feuer sind ja keine Erfindung der Ultras. In den 80er und 90er Jahren war es völlig normal, niemand hat sich daran gestört. Irgendwann, mit der Kommerzialisierung und Eventisierung der Bundesliga, drehte die Stimmung. Auf einmal wurde es mit Ausschreitungen gleichgesetzt, was Quatsch ist.

Aber ist es nicht gefährlich, eine tausend Grad heiße Fackel in einer Menschenmenge zu zünden?

Offert: Wenn man wie wir vernünftig damit umgeht, nicht. Die Debatte ist doch scheinheilig. Die ARD-Sportschau wirbt auf Plakaten damit, und selbst Fortuna zeigt in der japanischen Ausgabe des Stadionheftes Bilder von Pyroaktionen, um Emotionen zu verkaufen. Aber wenn wir zünden, sorgen wir für Ausschreitungen? Das passt doch nicht.

Für die Justiz ist es dennoch eine Straftat. Vergangene Woche wurden zwei Fortuna-Fans sogar mit Fahndungsfotos gesucht.

Offert: Das steht in keinem Verhältnis zur Tat. Es gab keine Verletzten, keine Regressansprüche. Man kann darüber streiten, ob das Zünden eines Bengalischen Feuers eine Straftat ist und eine Anzeige nach sich ziehen muss. Aber warum kontaktiert die Polizei nicht Fortunas Fanbetreuung, die die Leute kennt? Stattdessen wird der Öffentlichkeit ein Bauernopfer präsentiert. Selbst wenn die beiden daran beteiligt gewesen wären, kann man sie nicht mit Fahndungsfotos vorführen als seien sie Schwerverbrecher oder Mörder. Da wird ohne Beweise die Existenz der jungen Leute aufs Spiel gesetzt.

Ähnlich argumentieren die Fortuna-Verantwortlichen. Wie ist das Verhältnis der Ultras zum Verein?

Offert: Wir können uns nicht beklagen. Wir verwalten unseren Block selbst und sind im ständigen Austausch. Natürlich sind wir nicht immer einer Meinung, aber das müssen wir auch nicht. Lieber man spricht offen miteinander, als sich immer die Hände zu geben und so zu tun, als sei alles super, obwohl es das nicht ist.

Wie sehen Sie die generelle Entwicklung der Fanszene?

Offert: Der Aufschwung hat zwei Seiten. Natürlich ist es schön, nicht mehr vor 3000 Zuschauern im Rheinstadion zu spielen. Aber leider sind nun viele Erfolgsfans da, die sich eher unterhalten lassen wollen und bei einem 0:0 zur Pause pfeifen oder den Trainer zu Unrecht kritisieren. Das ist vermessen. Wir haben vier Spiele vor Ende noch alle Aufstiegschancen. Das ist doch traumhaft.

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