"Warum ist Fortuna so geil?" - ein Film von Fans für Fans

Lars Pape und Holger Schürmann haben von Fortuna-Fans 90000 Euro überwiesen bekommen und drehen nun einen Film über ihren Verein.

Düsseldorf. Herr Pape, Herr Schürmann. Sie haben 90000 Euro von Fortunafans aus aller Welt für Ihren Film überwiesen bekommen, obwohl sie anfangs nur mit 60000 Euro geplant hatten. Was machen Sie mit den übrigen 30000?

Lars Pape (lacht): Wir schicken den Praktikanten mit einer Handkamera los und machen uns ein paar schöne Wochen auf den Malediven. Nein, im Ernst: Filme sind irre teuer. 45 Minuten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen kosten bei fünf Drehtagen mindestens 50000 Euro. Wir haben 30 Drehtage geplant und machen einen langen Film, irgendwo zwischen 90 und 120 Minuten. Außerdem müssen wir von den 90000 Euro auch die ganzen Unterstützerpakete, die Postproduktion, die Werbung, den Vertrieb und alles andere zahlen. Das Geld ist nicht nur für Kameraequipment.

Also zahlen Sie am Ende noch drauf?

Holger Schürmann: Nein, das Schöne ist ja, dass es viele in der Fortuna-Fanszene gibt, die uns Hilfe angeboten haben. Einer hat ein Tonstudio, einer ist Grafiker, einer macht einen Song — da kriegen wir Fortuna-Freundschaftskonditionen.

Man könnte Ihnen ja durchaus vorwerfen, lang genug gewartet zu haben, bis Fortuna wieder in der Bundesliga ist, um den Hype abzugreifen.

Schürmann: Ja, das könnte man.

Pape: Die Idee ist schon älter. Sie kam, als wir im vergangenen Jahr in Düsseldorf bei einem Spiel waren. Wenn man als Exil-Düsseldorfer den Blick von außen hat, merkt man um so deutlicher, wie groß die Euphorie in der Stadt geworden ist. Und da dachten wir uns: Das muss man doch mal festhalten. Allerdings hat sich die sportliche Situation in der Rückrunde dann gewandelt, und wir wollten nicht alles in einen Aufstiegsfilm stecken, wenn wir am Ende doch nicht hochgehen.

Aber ganz aufgegeben hatten Sie das Thema noch nicht?

Pape: Die Idee hat uns nicht mehr losgelassen. Irgendwann hat Holger auf einer Autofahrt dann das Thema Legenden in den Raum geworfen. Dann sind wir da hängengeblieben, und jetzt machen wir einen Legendenfilm.

Das große Fragezeichen war von Beginn an die Finanzierung. Hatten Sie wirklich damit gerechnet, 90000 Euro einzusammeln?

Pape: Hätten wir nicht dran geglaubt, hätten wir gar nicht erst angefangen. Wir sind erwachsen genug, unsere Zeit nicht zu verplempern. Allein der Trailer und die Vorbereitung haben uns schon Geld und Zeit gekostet. Trotzdem waren die 60000 Euro, die wir anfangs aufgerufen hatten, sehr ambitioniert. Dass wir letztendlich bei 90000 gelandet sind, hatten wir uns aber wirklich nicht mal erträumt.

Diesen Monat sollen die Dreharbeiten losgehen. Wie wird der Film inhaltlich aussehen?

Pape (lacht): Wir drehen auf jeden Fall in Farbe und Stereo.

Schürmann: Wir wollen zu 95 Prozent in Düsseldorf drehen und die Beziehung zwischen Stadt und Verein aufzeigen. Und weil Düsseldorf nicht nur aus Altstadt oder Kö besteht, wollen wir in die Stadtteile rein. Idealerweise sollen die Protagonisten in ihren Vierteln interviewt werden. Wir wollen beispielsweise nicht nach Wolfsburg fahren und eine halbe Stunde mit Klaus Allofs in seinem Büro sitzen, sondern in Gerresheim mit ihm und Thomas drehen, um den emotionalen Bezug herzustellen. Und um zu zeigen, wie schön Gerresheim ist.

Wird auch mal der Ball rollen?

Pape: Natürlich hätten wir gern hier und da eine Spielszene von früher, allein um zu zeigen, wie die Spieler früher aussahen.

Schürmann: Wir können so viel verraten: Wir sind in konstruktiven Gesprächen mit der DFL. Aber vielleicht hat ja jemand auch noch alte Aufnahmen auf Super8 oder Ähnliches. Wir freuen uns über alles. Auch wenn wir den Anstoß gegeben haben und den Film machen werden, sehen wir ihn als Gemeinschaftsprojekt der Fortunafans.

Gerade diese bezeichnen Fortuna gern als Traditionsverein. Die meisten wissen bis auf drei Daten und ein paar Spieler aber so gut wie gar nichts aus der Vereinsgeschichte. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Pape: Also ich weiß, dass wir einen Geißbock im Wappen haben...

Schürmann: ...und wir schwärmen heute noch von der großen Zeit mit Gerd Müller. (lacht) Nein, wir sind keine Geschichtsstudenten, sondern Fans. Man lernt den Verein kennen und lieben und interessiert sich irgendwann auch für die Geschichte. Aber ich könnte jetzt nicht genau sagen, was im März 1962 los war. Das ginge zu sehr ins Detail. Man hat als Kind natürlich sofort seine Spieler, die man toll findet, und lernt Stück für Stück mehr aus der Geschichte. Aber wir haben jetzt nicht vor, eine Chronik zu machen, sondern eher etwas mit Liebe. Einen richtigen Geschichtsfilm werden wir nicht machen.

Also wird der Film eher personenbezogen und kein historischer Abriss, seit 1908 zum ersten Mal in Flingern Fußball gespielt wurde?

Schürmann: Ja. Die Grundfrage war ja, was Spieler wie Wolfgang Seel heute machen, und wo ist Ralf Dusend? Mir ist letztens erst wieder beim Fußballgucken aufgefallen, dass es all die sogenannten Experten gibt, aber so gut wie nie einen, der Fortunabezug hat. Wenn der HSV spielt, steht Uwe Seeler vor der Kamera. Aber für Fortuna sind die meisten gefühlt verloren gegangen. Dabei gibt es ja auch bei uns eine ganze Reihe an Helden. Allein so jemand wie Sven Demandt, der in der Zweiten Liga mal 35 Tore geschossen hat. Das hat ja fast Messi-Dimension. Natürlich sind die meisten außerhalb Düsseldorfs eher weniger bekannt und keine Legenden für den gesamtdeutschen Fußball. Für uns aber sehr wohl. Und wenn man sich mal hinsetzt und die ersten Namen aufschreibt, kommt man sofort auf viel zu viele Leute, die man gar nicht alle erwähnen kann. Da müssen wir uns in den kommenden Wochen noch mal schütteln und gucken, wer da jetzt am Ende hinten raus fällt.

Gab es schon internen Streit über die Spieler?

Pape: Ich glaube, dass der Pool an Leuten so groß ist, dass wir uns da nicht in die Quere kommen. Wir werden uns jetzt nicht streiten, wer reinkommt und wer nicht. Außerdem ist ja die Frage, wer überhaupt kann. Wenn du 40 ansprichst, können höchstens 20.

Das heißt, Sie wollen jeden treffen und nicht nur über ihn erzählen?

Pape: Ja, im besten Fall wollen wir selbst mit den Leuten reden.

Das dürfte in Einzelfällen schwer werden. Paul Janes und Toni Turek sind eher selten anzutreffen. Wie werden diese Teile laufen? Über Historiker?

Pape: Es gibt ja die Möglichkeit, die Verwandtschaft zu treffen.

Schürmann: Im Zweifel würden wir eher die Familie befragen. Wir werden uns kaum einen Historiker vor die Kamera setzen, weil es einfach zu langweilig ist.

Das heißt, Sie machen einen Film, der zeigt, wie Sie die Fortuna sehen?

Schürmann: Ja, der Film ist eine Herzensangelegenheit für uns, natürlich hat so ein Film dann auch eine persönliche Note. Das ist immer so. Egal, ob man einen Zeitungsartikel schreibt oder einen Film dreht, der Autor entscheidet, was rein kommt. Und wenn wir uns darüber einig werden, ob beispielsweise Jörg Schmadtke eine Fortunalegende ist, kommt er rein oder nicht. Wir sind keine Chronisten, die aufzählen, wer hat die meisten Spiele, die meisten Tore. Uns geht es um eine emotionale Bindung.

Aber die ist natürlich absolut subjektiv. Wen Sie als Kinder in den 70ern angehimmelt haben, hat für Sie einen ganz anderen Stellenwert als jemand, der aktuell spielt.

Schürmann: Ja. Wenn jemand den Film machen würde, der 20 ist und nie in seinem Leben im Rheinstadion war, wäre es ein anderer Film. Für mich ist beispielsweise Dieter Bierbaum (jahrelanger Stadionsprecher, Anm. d. R.) eine absolute Legende. Jemand, der 20 ist, kann das kaum nachvollziehen. Wie auch? Er hat ihn ja nie gehört.

Pape: Es sind natürlich besonders die Spieler, die gespielt haben, als wir das erste Mal im Stadion waren. Also in den 70er und 80er Jahren, in Zeiten, in denen Fortuna eine große Mannschaft hatte. Trotzdem waren für mich Toni Turek, Paul Janes und Pitter Mayer immer große Namen.

Auffällig ist aber doch, dass diese Namen bei der jüngeren Generation überhaupt keine Rolle spielen. Für junge oder neue Fans sind es dann neben Lumpi Lambertz, der natürlich über allem steht, eher Martin Harnik oder Maxi Beister, wobei diese beiden nur kurz für Fortuna gespielt haben.

Pape: Das hat sich aber auch durch die Zeiten gewandelt. Früher gab es ein paar Zeitungsartikel in der Woche, am Samstag die Sportschau und Bücher, die man geschenkt bekommen hat. Bei mir war es das 79er-Buch von Wolfgang Niersbach. Mit dem bin ich groß geworden, das war meine Fortunalektüre, die ich ständig gelesen habe. Heute tippst du Fortuna bei Youtube ein und findest 18000 Videos. Früher hast du das genommen, was da war. Es gab weniger, und das Wissen war konzentrierter auf die Geschichte des Vereins. Heute wirst du im Internet mit dermaßen viel Müll zugeschüttet, dass die Vereinsgeschichte total in den Hintergrund tritt. In Sekunden hast du Informationen über alles Mögliche. Allein über die Fans findest du tausende Sachen.

Schürmann: Und natürlich werden einzelne Spieler heute viel mehr hochgejubelt. Allerdings liegt die Verehrung solcher Spieler auch an der Besonderheit der Jungs, weil sie sich so mit Fortuna identifizieren. Ein Maxi Beister setzt sich heute noch bei Fortuna-Testspielen auf die Bank. Das nennen einige unprofessionell, aber er findet Fortuna halt geil. Und dann mag man ihn auch. Das klappt bei anderen Vereinen, die viel größere Stars haben, nicht. Und das ist die Geschichte, die wir erzählen wollen: Warum ist Fortuna trotzdem so geil?

Über den nächsten Gegner Hoffenheim könnte man einen solchen Film also nicht machen?

Pape (lacht): Da würde ich persönlich einen etwas anderen Film machen. Aber ehrlich: Man hofft natürlich immer, dass sein Verein irgendetwas Besonderes ist und nicht als 189. in der Bundesliga spielt. Dass er nicht das Stadion hat, das überall steht. Dass da nicht die Mucke läuft, die überall läuft. Ich glaube, dass Fortuna, wenn auch nur in Kleinigkeiten, eben etwas besonderes ist. Ich kenne sonst keinen Verein in der Bundesliga, bei dem ein Rock’n’Roller mit CDs die Musik macht. Und dazu kommt diese rasante Geschichte des Niedergangs eines ehemals erfolgreichen Vereins. Und dass der dann auch so wiederkommt. Vielleicht denkt Maxi Beister auch gerade deswegen so gern an Fortuna zurück, weil wir eben nicht wie jeder andere Verein sind.

Zu Ihnen. Sie leben ja nun seit längerer Zeit in Berlin. Wie war das zu Oberligazeiten, wenn Sie in Berlin jemandem erzählt haben, dass Sie Fortunafans sind?

Schürmann: Zur Zeit des Niedergangs war ich durchgängig bei MTV. Mein Programmdirektor war Schalke-Mitglied, Moderator Markus Kavka ist Bayern-Fan. Ich war also nur von Leuten umgeben, die erfolgreiche Vereine hatten, und dadurch immer in dieser Verteidigungshaltung. Ständig musste ich betonen: Egal, ob wir in der vierten Liga sind, Fortuna ist trotzdem der geilste Verein. Und irgendwann kriegst du dann auch Respekt, dass du trotz alledem treu bleibst. Damals dachte ich, dass ich die Erste Liga nie mehr außerhalb der Sportschau erleben werde, aber ich war trotzdem gern am Flinger Broich. Die große Bundesliga spielte im Fernsehen, aber mein Herz war in der vierten Liga.

Pape: Schlimm wurde es eher, als wir nicht mehr mit Hähme überschüttet, sondern bemitleidet wurden. Sätze von Kölnern, dass wir hoffentlich wieder hoch kommen, haben mehr weh getan als jeder Witz über unseren Absturz.

Nun ist Fortuna wieder da, auf dem Höhepunkt der Beliebtheit, und sie dürfen einen großen Film machen, den die Fans finanzieren. Hand aufs Herz: Spürt man da einen besonders großen Druck?

Schürmann: Positiven Druck, ja. Und wir hoffen, dass am Ende viele Fortunen stolz sind wenn sie den Film gucken und sagen: Da habe ich meinen Teil zu beigetragen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort