Träumereien: Die Glücksbeschaffer aus der Theaterkantine

Am Derendorfer Güterbahnhof werden alltägliche Begebenheiten zu Poesie. Die Erfolgsgeschichte eines kleinen Theaters.

Düsseldorf. Die Frau war bestimmt schon 20-mal da. Immer wieder kommt sie in die Theaterkantine, denn ohne Rosa geht es nicht mehr. Die Zuschauerin ist Mitte 70. Sie hat das Träumen nie aufgegeben, und so lässt sie sich regelmäßig von der zauberhaften Rosa das Herz streicheln.

"Sie braucht mich", vermutet Heike Fabry. Die Figur der Rosa spielte sie schon, da hatte sie mit ihrem Mann Rüdiger das kleine Theater gerade erst eröffnet. Damals noch in der alten Kantine von Rheinmetall nur für Freunde. Später dann in einem Atelier für die Freunde der Freunde, und seit sechs Jahren im alten Güterbahnhof Derendorf für Fremde, die zu Freunden werden.

Vier Stücke gibt es dort zu sehen, und die zwölf bis 14 Vorstellungen im Monat sind immer über Wochen ausgebucht, aktuell bis Mitte Mai. Eine Erfolgsgeschichte, die auf Lebensbewältigung und Glücksbeschaffung setzt. "Wir spielen Themen, die sich aus der Alltagserfahrung der Menschen ergeben", sagt Heike Fabry.

Vielleicht ist ihr kleines Theater deswegen so ungemein gefragt. Weil eine wie Rosa von Sehnsüchten erzählt, die jeder schmecken kann. Sie steht am Herd und bereitet ein Drei-Gänge-Menü vor, während sie von ihrer großen Liebe Erwin und anderen Begehren spricht. Und wenn die Besucher später an einer fein gedeckten Tafel Rosas Pasta kosten, sind sie in einer Stimmung, die irgendwo zwischen Südseeinsel und Mondscheinsonate liegt.

Heike Fabry kennt das. Auch ihr Gemüt braucht dann und wann einen ordentlichen Bund Basilikum. Sie kocht, um zu entspannen. Und sie berät sich mit Rosa. "Es gibt Tage, da gefalle ich mir als Heike überhaupt nicht. Wenn ich dann als Rosa in den Spiegel schaue, finde ich mich richtig schön."

Mit 19 bewarb sich Heike Fabry an verschiedenen Schauspielschulen. Nach der achten Absage beschloss sie, auf die ganz großen Dramen zu verzichten und belegte stattdessen in der Werkstatt an der Börnestraße einen Clownskurs, den ein ehemaliger Ingenieur leitete: Rüdiger Fabry. Ein Jahr später waren die beiden verheiratetet und gründeten das Theater Till, ein Kinder- und Jugendtheater.

Das Abendtheater kam später und war zunächst ein Experiment mit privaten Geschichten. "Ich habe einem Freund von meinem Eheleben und meinem Sehnsuchtsleben erzählt", sagt Heike Fabry. Aus dem persönlichen Gespräch entstand eine Bühnenfassung, Beköstigung wurde dramaturgisch eingebaut. "Ich dachte mir, wenn ich für vier Leute Spaghetti kochen kann, dann kann ich das auch für 20."

Heute erledigen das die Mitarbeiter der Fabrys, die ihr kleines Theater mit insgesamt 20Leuten auf die Beine stellen. Eine gastronomische Ausbildung hat keiner und trotzdem klappt die Kombination Essen plus Theater bestens. "Die Menschen sollen sich bei uns wie zu Hause fühlen", sagt Rüdiger Fabry. "Ein gemeinsames Abendessen gehört dazu." Genauso wie der direkte Kontakt zwischen Publikum und Schauspielern. Heike Fabry, die als Rosa im Anschluss an die Vorstellung die Spaghetti serviert, wird oft gefragt, ob ihr das nicht zu viel an Nähe ist. "Unser Prinzip lautet: ,Wir sind wie ihr’, und nicht: ,Wir sind anders’. Außerdem kann ich nichts Schönes daran finden, nach dem Applaus allein zu sein."

Die Offenheit den Zuschauern gegenüber sollen alle Kollegen mittragen. "Es ist ein Unterschied, ob ich jemandem freundlich Sekt einschenke oder ihn einlade, mit mir ein Glas zu trinken", sagt Rüdiger Fabry. "Und wenn ich das ernst meine, kann ich auch Spaß haben, wenn ich hinter den Kulissen arbeite."

Rosa: Während Rosa ein Drei-Gänge-Menüvorbereitet, erinnert sie sich an Geschichten über ihre Sehnsucht undunerfüllte Verliebtheiten.

Ueli Hürlimann: Thomas Gisiger spielt den 35-Jährigen, der imBerner Oberland aufgewachsen und außerordentlich schüchtern ist. Nur inseiner Fantasie geht er abends aus und übt, wie man Frauen anspricht.

MS Amenita: Auf einem Traumschiff treffen sich Rosa da Capound Ueli Hürlimann. Rosa will sich schön fühlen, von Männeraugenverschlungen werden. Ueli will die Enge seiner Heimat hinter sichlassen, die weite Welt erleben, sich als richtiger Mann fühlen.

Bleibt Liebe: Rosa und Viktor lernen sich bei einer Hochzeit kennen Geschichten ihres Liebens.

Essen: Im Anschluss an jedes Stück werden die Zuschauer zu Tisch gebeten.

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