Trend: Stricken - Die Maschen der Männer

Stricken ist wieder im Kommen. Auch bei Herren. Michael Weinrich hat sogar das erste Strickbuch für Männer geschrieben.

Düsseldorf. Es rollt etwas auf uns zu. Direkt aus Amerika. In Knäueln. Es ist weich, kuschelig und kunterbunt: die Strickwelle. "In Sachen Handarbeiten sind die USA oft ganz weit vorn", weiß Michael Weinreich.

Der Düsseldorfer steht selbst an der Spitze der Bewegung. Im vergangenen Jahr hat er das Buch "Männermaschen" veröffentlicht, das erste deutsche Strickbuch für den Herrn. "Männermaschen" heißt das Werk.

Vor 20 Jahren war sie schon einmal da, die Strickwelle: "An der Uni war es damals ganz normal, dass während der Vorlesungen gestrickt wurde. Ich habe selbst gemerkt, dass ich mich dabei viel besser auf den Dozenten konzentrieren konnte." Anfang der 90er Jahre verschwanden Woll-Knäuel und Strick-Nadeln plötzlich - um nun mit Macht wiederzukommen.

In Amerika ist längst eine Bewegung daraus geworden, die nicht nur im Wohnzimmer stattfindet. Weinreich: "Vor vier Jahren wurde dort der Tag des öffentlichen Strickens erfunden."

Zusammen mit Manes Meckenstock, der selbst gerade einen Schal für sein Patenkind strickt, hatte der 44-Jährige die Idee, die Welle auch nach Düsseldorf zu tragen.

Die Resonanz beim ersten Gruppenstricken im Meckenstock’s war erstaunlich. 36 Handarbeits-Fans, darunter auch drei Herren, tauschten Tricks und Kniffe rund ums Woll-Knäuel aus. Dazu spendierte Manes für alle ein Likörchen aufs Haus.

Tatsächlich gibt es bei strickenden Männern eine hohe Dunkelziffer: "Das weiß ich aus den verschiedenen Internet-Foren. Frauen finden es gut, wenn ihre Männer stricken."

Aber bei ihren Freunden haben die Herren oft Probleme, ihren Kumpels von dem Hobby zu erzählen, weil es nicht ins Rollen-Verständnis passt. Sie haben Angst, verspottet zu werden.

"Wir brauchen eine Emanzipation der Männer", sagt der Strickbuch-Autor, "heute ist es ganz normal, dass Frauen als Kfz-Mechanikerinnen arbeiten. Männer sind aus dem Rollenverhalten noch nie ausgebrochen."

Viele Vorstellungen über das Stricken seien überholt: "Man denkt an seine Kindheit, an kratzende Pullover und ältere Damen. Dabei macht Stricken Spaß, es beruhigt und es ist eine sehr kreative Tätigkeit."

In diesen schwierigen Zeiten können die Handarbeit eine wichtige Ausgleichsfunktion haben: "Gerade wenn man im Beruf keine Selbstbestätigung mehr findet, tut es gut, wenn man etwas selbst gemacht hat." Immerhin sei jede Jacke, jeder Pullover oder jede Mütze ein Unikat, auf das man stolz sein könne.

Ein besonderes Talent ist nicht erforderlich: "Stricken kann jeder, wenn er will." Allerdings sollte der Novize sich nicht zu komplizierte Projekt aussuchen. Mützen oder Socken seien die idealen Erstlingswerke.

Wer schon etwas geschickter mit der Nadel hantiert, kann sich an den ersten Pullover wagen. Weinrich: "Am schwierigsten sind Tischdecken oder Gardinen, weil sie mit feinerem Garn und dünneren Nadeln hergestellt werden."

Ein weiteres Argument fürs Stricken sei der Preis, jedenfalls wenn es um Qualität geht. Weinreich: "Für einen Winter-Pullover brauche ich zehn bis zwölf Knäuel Wolle. Die preiswertesten kosten einen Euro, die teuersten mit Seide 17 Euro."

Natürlich könne man beim Textil-Discounter auch billiger an einen Pullover kommen: "Das Ergebnis zeigt sich nach der ersten Wäsche. Selbstgestrickte Dinge hat man fürs Leben."

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