Veedelszöch: Jecke Partys in den Stadtteilen

Im Norden, Osten, Süden und Westen feiern Tausende von Narren in ihren angestammten Quartieren.

Düsseldorf. Nicht auf der Kö und in der Altstadt wird am Wochenende gefeiert. Auch in den Stadtteilen strömen Tausende von Jecken zu den insgesamt neun Zügen im Veedel.

So viele Pferde sieht man beim Veedelzoch in Itter selten: Zwei lebende Tiere sind vor den Planwagen der Kita St. Hubertus gespannt, drei Styroporrösser zieren das „Schlachtbuffet“, und dann ist da noch ein mit Möhren, Paprika und Lauch verziertes Holzpferd, unter dem die Flammen züngeln, um es zu garen.

Auslöser für diese etwas makabren Wagen ist das diesjährige Karnevalsmotto der Pfarrgemeinde St. Hubertus: „Im Heißen Rössel beim Nachtbüffet“. Das hat die Fantasie im Wortsinn entzündet: „Eigentlich wollten wir ein Pferd am Drehspieß grillen, aber für die Umsetzung fehlte uns einfach die Zeit“, sagt Norbert Nüchten vom Holthausener Familienkreis, die als Kochgruppe im Zug mitmarschieren. Auch bei Itters Grenardieren führt das Motto zu ähnlichen Assoziationen, die ihr (lebendes) Pferd neben einer gedeckten Tafel hertraben lassen. Die Messdiener der Seelsorgegemeinschaft Rheinbogen lassen dagegen das Rössl zum Rüssel mutieren und laufen als Elefanten durch die Straße. Mit nur 14 Gruppen ist Itters Zug zwar einer der kleinsten, aber dafür dank einheitlichem Motto einer der lustigsten.

Vor dem Paulsmühlenbunker in Benrath kocht die Stimmung: Der erste Durchlauf ist vorbei, jetzt wird auf der Straße getanzt, bis die 16 Gruppen ein zweites Mal an der Bühne vorbei defilieren. Auch hier bietet der Zug den Gruppen im Stadtteil eine Chance, sich von einer anderen Seite zu zeigen. So ist der Lauftreff Süd als Dopingkontrolle unterwegs, die Bewohner der Siedlung Grünhof als Gartenmarkt, die Lebenshilfe an der Forststraße als fröhliche Entenschar und der Kindergarten St. Cäcilia als ein ganzes Aquarium voller Fische. Das Garather Amazonencorps sorgt zwischendurch immer wieder für ein flottes Tänzchen und drei Kapellen für den rechten Takt.

Eine regelrechte Invasion von Marsianern kommt beim dritten Lohausener Veedelszoch auf die Besucher zu. Denn auf den Ausbau der Langstreckenflüge reagieren die „Närrischen Lohauser“ mit einem leicht modifizierten Motto: „Hütt dommer dröwer fleeje: Dus-Mars-Dus“. Ein Flug zum Mars und zurück. So irren beim Veedelszoch neben dem Wagen mit der Abflugsrakete zahlreiche kleine Aliens umher.

Die anderen teilnehmenden Vereine sind mindestens genauso kreativ: Der Judoclub des Sportvereins hat seinen Judokämpfern Afroperücken übergestülpt und im Zug tummeln sich Glücksschweine und Piraten. Ein wahrer Hingucker ist das Wikinger-Boot des Bürgervereins Ongerod.

Mörsenbroich: „Ja simmer em Wald hee“, fragen sich die Mörsenbroicher Friends & Pänz, die als Waldelfen verkleidet gestern beim Veedelszoch auf bunte Paradiesvögel und Spinnentiere treffen. Als Bücherwürmer sind die 3. und 4. Klassen der Sankt-Franziskus-Schule unterwegs und feiern so fantasievoll ihre neue Schulbibliothek. Für die Jecken am Zugweg haben sie 1500 Tulpen dabei.

Den für 2012 vorhergesagten Weltuntergang macht die Katholische Jugend Sankt-Franziskus zum Thema: „Wir glauben aber daran, dass sich alles zum Guten wendet“, zeigt Miriam Scholz Optimismus. Die kurioseste Gruppe: Acht Wochen hat Roswitha Kalischewski gestrickt, um pünktlich zur Fußball-EM komplett in Schwarz-Rot-Gold zu erscheinen. „Ingesamt 40 Wollknäuel à 50 Gramm habe in verarbeitet“, erklärt die Jeckin, die mit Borgumila Meroz eine von 21 Gruppen bildet.

Schon früh am Morgen warten die Jecken am Knotenpunkt Neusser Tor/Benderstraße in Gerresheim auf den größten Düsseldorfer Veedelszoch. Angeführt vom Hirschau Musikzug und der paukenden Bürgerwehr, die bereits von Weitem zu hören ist, ziehen sie über die Heyestraße in den historischen Ortskern. Der Kleingartenverein Königsbusch kleidet sich passend zum zumeist strahlenden Sonnenschein in bunte Ponchos und Sombreros. Erstmals mit dabei ist das Mari-Curie-Gymnasium, das dieses Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert.

Von den knapp 20 Wagen lassen Cowboys, Clowns, Teufelchen, Hexen und diverse Tiere einen Kamellen-Regen auf die Menschenmassen prasseln. Besonders herzig: Der „Küss-Mich“-Wagen von Hörgeräte-Schulz. Dort warten Mädels in einem „Casa del fiore“ (Haus der Blüten) auf ihre jecken Prinzen. Außerdem sorgen die Läggerli Hagger, ein Gastverein aus Basel, mit ihren gespenstigen Masken in Gerresheim für einen Hauch von Baseler Fastnacht.

Eller: Es ist kein Konfetti, das gestern gegen 14.30 Uhr vom Elleraner Nachmittagshimmel fällt, sondern feiner Hagel. Gestartet war man zwar noch bei strahlendem Sonnenschein, doch dann ziehen dunkle Wolken auf. Die Stimmung kann das allerdings nicht trüben, außerdem ist der Himmel schon bald wieder blau. „Der Veedelszoch ist etwas ganz anderes als die Feierei in der Stadt. Hier ist zu Hause, da kenne ich jeden zweiten Jecken. Deshalb stehe ich seit 15 Jahren jedes Mal am Straßenrand“, sagt Martina Mickeleit und bläst als bunt verkleideter Clown wieder in ihre Trillerpfeife. Auch Melanie Jacobi von der Interessengemeinschaft Veedelszoch Eller hat das richtige Rezept gegen den kalten Wind: „Tanzen, Stimmung machen und schon wird es warm.“ Diesen Rat befolgen alle Beteiligten. Mehr als 30 Vereine, Parteien, Karnevalsgesellschaften und private Gruppierungen sind am Zoch beteiligt, unter ihnen die Stadttrompeter, die Saam Richardt Zigeuner und die Düsseldorfer Piratenpartei.

Ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist es schon, einen Oktoberfestwagen mitten im einem Karnevalsumzug zu sehen. Der aktuelle Oberquatschköpp Jost Linden hat damit aber keine Probleme. „Brauchtum ist Brauchtum“ ist seine Devise und so staffiert er seinen Mottowagen im Bayernlook aus. Mit vollbusigen Kellnerinnen aus Pappmachée, Enzian, Edelweiß und allem, was zum Bayernklischee gehört. Die Damen des Elferrats der Quatschköpp schließen sich an und kommen ebenfalls im Trachtenlook. Die Herren hingegen halten es wie eh und je und tragen das Quatschköpp-typische Flickenkostüm, rote Perücken und viel Schminke im Gesicht.

Ansonsten geht es im Reisholz/Hasseler Zoch gewohnt bunt zu: Die Kita „Arche Noah“ aus Holthausen verwandelt sich in einen kompletten Zoo inklusive Bienenstock.

Pech haben die Holthausener Räbbelche: Weil ihr Wagen defekt ist, marschieren sie sowohl in der Paulsmühle wie in Reisholz zu Fuß mit. Doch heute, zum Rosenmontagszug, soll er wieder fahrbereit sein. Dann erfährt man auch das Motto, das sich dieses Mal mit dem närrischen Nachwuchs beschäftigt.

Der Veedelszoch zum 125-jährigen Bestehen der Tonnengarde war der bunteste in der Geschichte der Niederkasseler Narren. In ihm liefen nicht nur 63 kleine „Wachsmalstifte“ aus der Internationalen Japanischen Schule mit, sondern auch „Römer“ der Internationalen Schule aus Neuss mit. Für die japanischen Mütter ist es mittlerweile selbstverständlich, ihre Kinder auf den Narrenparcours durch Niederkassel zu schicken.

Die Tonnengarde ist auf dem besten Wege, nicht nur der närrische, sondern auch der gesellschaftliche Mittelpunkt im „Dorp“ zu werden. 280 Mitglieder hat sie derzeit, 800 Narren ziehen gestern mit, unter ihnen ein Dutzend Prinzessinnen im schicken Nerz, aber auch die Schooters in abgewetzten Roben.

Die insgesamt 30 Gruppen im närrischen Lindwurm wirbeln den Terminplan etwas durcheinander. Erst nach fast einstündiger Verspätung begeben sich die Tonnenbauern Wolle und Sylvia sowie das Düsseldorfer Prinzenpaar Thomas und Anke auf die Rennstrecke zum traditionellen Tonnenrennen. Der Wettkampf des Prinzen gegen den Tonnenbauer mit Schüreskarren und Jauchefass endet in einem toten Rennen. Venetia und Tonnenbäuerin schieben gar gemeinsam nur einen Karren mit dem Jauchefass durchs Ziel.

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