„Eiserner Rhein ist längst da“

Schon jetzt beklagen sich viele über Erschütterungen und Lärm. Wird es noch schlimmer?

Krefeld. Für viele Krefelder ist er eine Horror-Vision: der Eiserne Rhein. Wenn die Güterzüge zwischen Antwerpen und dem Ruhrgebiet hin und her pendeln, könnte die Belästigung durch Lärm und Erschütterungen deutlich zunehmen. Die WZ hat sich in den Stadtteilen umgehört.

Als Ingrid Schwaiger neulich morgens in ihr Wohnzimmer kam, traute sie ihren Augen nicht. Die Bilder an der Wand hingen schief. "So stark war die Erschütterung durch die Züge noch nie", sagt sie. Schwaigers wohnen gut 20 Meter von den Bahngleisen entfernt am Spechtweg. Und das seit 1972. Mitten im Grünen, aber direkt an den Bahngleisen. "Eine gewisse Belästigung durch die Bahn war immer da. Das weiß man auch, wenn man so nah an die Schienen zieht." Doch in den letzten Jahren sei es schlimmer geworden. Mittlerweile höre man nachts oft die Gläser im Schrank vibrieren. "Wenn der Eiserne Rhein kommt, werden wir uns wohl Plastikbecher anschaffen müssen", sagt Luitpold Schwaiger. "Das Problem sind nicht die Personenzüge, die sind ziemlich leise geworden, aber die oft überalterten Güterzüge machen einen Höllenlärm und sorgen für die Erschütterung."

Neulich hat ein Ingenieurbüro im Auftrag der Bahn bei Schwaigers den Lärm gemessen, anschließend vorgeschlagen, in einem Zimmer einen Ventilator anzubringen, damit man nachts nicht mehr die Fenster aufmachen müsse. "Ein Ventilator ist nicht leise und kostet Strom. Das kann nicht die Lösung sein", ärgert sich Ingrid Schwaiger.

Hans Jürgen Herzog wohnt ein paar Meter weiter. Er sagt: "Passiver Lärmschutz, wie besser isolierte Fenster, kann das Problem nicht lösen." Es sei notwendig, für einen aktiven Schutz vor dem Lärm zu sorgen, etwa indem man Platten vor den Rädern anbringe. "Oder noch besser: Es würden modernere Züge angeschafft, die besser in Schuss sind."

"Das Gerede, dass der Eiserne Rhein kommt, ist Schwachsinn", sagt Dieter Hesper. "Er ist schon längst da. Die Güterzüge haben jetzt schon teilweise 50 bis 60 Waggons." Sein Nachbar Werner Berger pflichtet ihm bei: "Wenn diese langen Ungetüme hier entlang fahren, fangen die Gläser auf der Spüle an zu klirren." Beide wohnen in einem Bungalow an der Alten Gladbacher Straße. "Wenn ein Auto einen Schlag im Reifen hat, fährt man nicht mehr damit. Die Züge hingegen sind oft so laut, dass man meint, die Räder wären viereckig", erklärt Werner Berger. Wie sein Nachbar ist er der Ansicht, "dass der Verkehr runter von der Straße muss, aber zu laut darf es nicht werden". Bald soll eine Lärmschutzwand gebaut werden. Dieter Hesper sieht noch ein weiteres Problem: "An den Bahnübergängen staut sich jetzt schon der Verkehr. Was ist, wenn bald kein Kranken- oder Feuerwehrwagen da durchkommt?"

Den Fernseher muss Peter Breuer manchmal lauter stellen - ohrenbetäubend ist der Lärm an der Neuen Flur direkt am Bahndamm. "Wenn die Güterzüge hier vorbeikommen, liegt die Lautstärke bei 110 Dezibel. Da muss man in Betrieben schon einen Gehörschutz tragen", sagt Breuer, der selbst bei der Bahn arbeitet. Er befürwortet den Eisernen Rhein trotzdem. "Wir wollen doch alle unsere frischen Tomaten und Ananas haben. Da ist der Schienenweg am besten geeignet. Die Autobahnen sind doch ohnehin schon voll und müssen entlastet werden." Es müssten aber Maßnahmen zum Schutz vor dem Lärm getroffen werden. "Eine Wand mit einer Höhe von 1,50 Metern könnte schon einiges abhalten. Der meiste Lärm entsteht schließlich direkt an den Schienen."

Seit mehr als einem halben Jahrhundert lebt Horst Franz an der Posener Straße. Wenn er aus seinem Wohnzimmerfenster schaut, sieht er durch die Bäume die Bahngleise am alten Linner Verschiebebahnhof. 200 Meter sind es bis dahin, da dort aber außer Gärten nichts ist, wohnt Franz mitten in der Lärmschneise. "Besonders nachts, wenn der Güterverkehr fließt, ist es unangenehm", erzählt Franz. "Das Quietschen der Bremsen lässt einen kaum schlafen." Seine Befürchtung: "Wenn der Eiserne Rhein kommt, wird es noch lauter, den ganzen Tag. Dadurch lässt auch die Wohnqualität deutlich nach." Dass parallel die Mieten sinken, glaubt Franz allerdings nicht.

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