Als die Mannschaft der Bounty meuterte, wurde in Krefeld die Rotbuche gepflanzt

Der Forstwirt Christoph Michels hat im Stadtgebiet immerhin 22 außergewöhnliche Bäume entdeckt — alte, seltene und besonders große Exemplare.

Als die Mannschaft der Bounty meuterte, wurde in Krefeld die Rotbuche gepflanzt
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Man schreibt das Jahr 1790: „Cosi fan tutte“ hat Premiere am Wiener Burgtheater, der Seemann Fletcher Christian erreicht mit den Meuterern der Bounty die Insel Pitcairn, und auf dem Gelände, wo heute das Haus Schönwasser steht, wird eine Farnblättrige Rotbuche gepflanzt. 224 Jahre später ist das Exemplar 22 Meter hoch gewachsen, hat einen Stammumfang von 4,94 und einen Kronendurchmesser von 20 Metern.

Es sind Informationen wie diese, die der Diplomingenieur der Forstwirtschaft, Christoph Michels, sammelt und auf seiner Seite „Starke Bäume“ im Internet veröffentlicht. In ganz Nordrhein-Westfalen ist der in Goch geborene Forstwirt unterwegs, um alte, seltene oder besonders große Bäume und Sträucher ausfindig zu machen.

200 Exemplare umfasst die Liste seiner Funde, und Krefeld schneidet sehr gut ab: Allein 22 außergewöhnliche Bäume hat Michels hier dokumentiert, die Stadt sei „Eldorado für Dendrologen“, schwärmt er.

Die eindrucksvolle Rotbuche ist nicht das älteste bekannte Baumexemplar in Krefeld. Auf 800 Jahre schätzt Michels das Alter einer Eibe in der Anlage von Haus Rath. Langsam wachsend, hat sie es in acht Jahrhunderten gerade mal auf neun Meter Höhe gebracht. Immerhin ist sie stabil gebaut: 4,42 Meter misst der Stamm im Umfang.

Wie kommt man dazu, mit Kamera und Maßband Bäume zu erfassen und zu katalogisieren? „Ich habe nach einem Hobby gesucht“, so Michels, „andere sammeln Eisenbahnen oder Briefmarken.“ Er habe immer Kontakt zu „grünen Gruppen“ gehabt. Also streift Michels seit drei Jahren auf der Suche nach besonderen Bäumen durch Städte, Dörfer, Wälder — und durchs Internet, denn um Raritäten zu entdecken, ist viel Recherche nötig. Seine Kontakte zur Deutschen Dendrologischen Gesellschaft (DDG) und Gesellschaft Deutsches Arboretum (GDA) sind dabei hilfreich. Dass Menschen ihn anrufen und auf Fundstücke aufmerksam machen, komme bisher nicht vor, sagt Michels.

Der Diplomingenieur ist kein Snob: Bei ihm schafft es auch ein Efeu auf die Liste — wenn die Pflanze denn einen Stammumfang von mindestens 110 Zentimetern hat. Mit diesen Maßen überzeugt die bisher gefundene kräftigste Ranke.

Auf Krefelds Friedhöfen und in Parks hat Michels Schönheiten entdeckt, aber auch der Garten des Restaurants Forsthaus im Forstwald ist vermerkt. Ein Riesen-Mammutbaum steht in dessen Garten, Krefelds wohl dickster Baum, mutmaßt Michels. 31 Meter ragt er in den Himmel, 15 Meter misst die Krone im Durchmesser und beachtliche 7,70 Meter der Stamm.

Und weil es gerade um Superlative geht: Die Weymouth-Kiefer hinter Haus Neuenhofen in Bockum ist mit 35 Metern Krefelds größter Baum (Stammumfang 3,28 Meter, Kronendurchmesser 18 Meter). Um spitze zu sein, muss man nicht alt sein. Das lehrt eine Herzblättrige Erle, ursprünglich in Süditalien heimisch: Sie ist seit 1980 auf dem Elfrather Friedhof mit 20 Metern Höhe, einem Kronendurchmesser von zwölf Metern und 2,03 Metern Stammumfang zum stärksten in NRW bekannten Exemplar herangewachsen.

Christoph Michels geht es im Kern nicht um Ranking und Rekorde. „Ich will darstellen, wie groß oder alt Bäume und Sträucher überhaupt werden können. Das ist bisher wissenschaftlich noch nicht erfasst.“ Erstaunlicherweise, sagt Michels, habe er in Großstädten nicht nur eine größere Baumartenvielfalt als auf dem Land, sondern auch die dimensionsstärksten Exemplare entdeckt. Eine Erklärung: Größere Städte investierten häufiger in qualifizierte Fachabteilungen, und speziell die Krefelder Bevölkerung habe Interesse an Bäumen und einen hohen Anspruch. „Das vermisse ich oft in kleineren Kommunen.“

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