Als Mauerspechte hämmerten

Erst brachte das Volk das Symbol der Teilung zu Fall, dann beteiligten sich Hunderttausende an dessen Abriss.

Krefeld. Mit der Öffnung der Grenzen vor 25 Jahren tauchte in Berlin eine ganz neue Spezies auf, die schnell nicht mehr zu übersehen war: der Mauerspecht. Hatten bislang Tausende Demonstranten „Die Mauer muss weg“ gerufen, machten sich Hunderttausende nun auf den Weg zum „Antifaschistischen Schutzwall“ — bewaffnet mit Hammer und Meißel. Ihr Ziel: ein großes Stück mit buntem Graffiti zu erbeuten.

Mit dabei im November 1989 war auch das Krefelder Ehepaar Brigitte und Alfred Ordowski. Spontan hatten sie sich in den Zug gesetzt, um den Hauch der Geschichte in Berlin tief einzuatmen. Auch ihnen gelang es, ein Loch in die Mauer zu schlagen: „Dann erblickten wir einen Ostsoldaten, der uns eine Stück Mauerabdeckung durch die Öffnung reichte“, erinnern sie sich. Der Mann nahm es mit Humor: „Hier haben Sie ein Stück, dann müssen sie nicht mehr klopfen.“ Die Mauerteile lagern heute in der Ordowski’schen Schrankvitrine — dekoriert mit einer Rose.

Während die Mauerspechte fleißig hämmerten, wollten auch die Profis nicht zurückstehen. Die Krefelder Behse GmbH, seinerzeit auch in West-Berlin vertreten, ging damals auf die DDR sowie den Regierenden Bürgermeister von West-Berlin, Walter Momper (SPD), zu und bot den fachmännischen Mauerdurchbruch am Brandenburger Tor an — kostenfrei. Dort war das Bauwerk immerhin mehr als vier Meter dick. „Das von uns zur Anwendung kommende Verfahren gewährt ein glattes Durchschneiden des Betons. Wir zerstören die Mauer nicht mit Presslufthämmern oder schwerem Rammgerät, sondern durchtrennen den Beton mittels diamantbesetzten Drahtseilen bzw. diamantbesetzten Sägeblättern sauber und maßgenau“, versprach das Unternehmen in einem Telex an das Innenministerium der DDR. Mehr noch: Die Behse-Mitarbeiter standen sogar in Bereitschaft: „Unser Einsatz würde sofort nach ihrem Abruf erfolgen.“

Der blieb allerdings aus. Da die Mauer zum Großteil aus Fertigteilen bestand, konnten diese von den DDR-Bautrupps herausgebrochen werden. Dafür war Behse am Bau der Bibliothek des Bundestages beteiligt. Für die Befestigung eines Spruchbandes bohrte das Unternehmen millimetergenaue Löcher — staubfrei.

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