Altenpfleger stellt Anzeige: „Eine Frage des Gewissens“

Wolfgang Weinem hat Anzeige gegen das Altenheim gestellt. In der WZ erklärt er, warum.

Krefeld. Offiziell ist Wolfgang Weinem seit Montag in Urlaub. Doch so richtig entspannen kann der 61-Jährige nicht. Er hat mit seiner Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung von 15 Bewohnern im St. Josefshaus vergangene Woche die Diskussion ins Rollen gebracht.

„Wieso?“, fragen sich nicht nur die Vertreter des Bewohnerbeirates. „Irgendwann ist das eine Gewissensfrage“, sagt der Altenpflegehelfer exklusiv gegenüber der WZ. Er hätte sich entscheiden müssen, ob er für die Zukunft etwas verändern oder etwas für die derzeitige Situation der Bewohner tun will. Mit seinem Schritt an die Öffentlichkeit habe er den direkten Weg gewählt.

„Hier im Haus sind Menschen zu Tode gekommen, die nicht hätten sterben müssen“, lautet sein Fazit. Nicht nur die 101-jährige Dame, die mit ihrem Rollstuhl eine zehnstufige Treppe hinabgestürzt und fünf Tage später im Krankenhaus an den Folgen gestorben ist. Das war im vergangenen Juni.

Die Polizei geht nach ihren Ermittlungen ebenso von einem tragischen Unfall aus wie der Medizinische Dienst. Der hat inzwischen nach einer Prüfung dieses Todesfalls und elf weiterer keine schwerwiegenden Mängel im St. Josefshaus festgestellt. Der Abschlussbericht wird für diese Woche erwartet.

„Die Tür hätte einen Schließmechanismus haben müssen“, meint hingegen Wolfgang Weinem. Auch hätte die agile, aber demente alte Dame nicht in der zweiten Etage untergebracht sein dürfen, sondern wie während der Ausweichzeit in Maria-Schutz in Traar ebenerdig. Er vermutet, dass sie die Gefahr im Treppenhaus nicht erkannt habe. Eine mechanische Schließvorrichtung der Flurtür oder ein Hinweisschild für das Personal „Bitte nach dem Öffnen immer schließen“ existiere nicht.

„Das ist auch baulich und gesetzlich nicht gefordert“, sagt Caritas-Geschäftsführer Georg Liegener auf WZ-Nachfrage.

Die Aufzeichnungen von Wolfgang Weinem füllen inzwischen zahlreiche Ordner. Allein 50 Seiten stark ist das Papier, das er im vergangenen Herbst in einem gemeinsamen Gespräch Horst Huber, dem Geschäftsführer der Krefelder Caritasheime gGmbH, dem Leiter des St. Josefshauses sowie der Pflegedienstleitung vorgelegt hat.

Darin listet er Versäumnisse und Fahrlässigkeiten bei der Sturzprophylaxe auf — mit fatalen Folgen für Bewohner. Er moniert, dass die Nachtschicht für 101 Bewohner nur aus zwei Pflegekräften besteht, häufig Leiharbeitnehmer eingesetzt würden.

Des weiteren, dass die vorgeschriebene Dokumentation zwei Wochen im Juni aus organisatorischen Gründen nur sporadisch beziehungsweise gar nicht möglich gewesen sei und deshalb gefährliche Gewichtsabnahmen von Bewohnern nicht aufgefallen seien. In dieser Zeit hätten auch Schutzhandschuhe und Desinfektionsmittel gefehlt.

Liegener weist die Vorwürfe weitestgehend zurück. Zwei Pflegekräfte in der Nacht seien gesetzlicher Standard. „Um personelle Engpässe wie Urlaub oder Krankheit zu überbrücken, setzen wir in allen Häusern immer wieder mal Leih-Facharbeitskräfte ein.“

Dass aber die Pflegedokumentation kurzzeitig im St. Josefshaus nicht möglich gewesen sei, davon ist ihm nichts bekannt. Allerdings habe es im Sommer aus Sicherheitsgründen eine Umstellung von einem einzelnen Server auf mehrere gegeben. Liegener: „Das ist aber laut unserem IT-Mann problemlos gelaufen.“

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