Caritas-Todesfall: Enkel spricht von grober Fahrlässigkeit

Krefeld. Für die Polizei, den Medizinischen Dienst und die Caritas-Heimleitung ist der Tod einer 101-jährigen Bewohnerin ein tragischer Unfall. Die Dame war mit ihrem Rollstuhl eine Treppe runtergestürzt und fünf Tage später im Krankenhaus gestorben (die WZ berichtete).

Die Familie der Verstorbenen hat da ihre Zweifel. „Zumindest lag unseres Ermessens grobe Fahrlässigkeit vor“, sagt ihr Enkel, dessen Name der WZ bekannt ist. In seinen Augen hätte die Tür zur Treppe verschlossen oder der Abgang zumindest abgesichert sein müssen.

Im Rückblick beschreibt er seine Oma als sehr agil und unternehmungslustig, trotz ihrer Altersdemenz. Zu deren eigener Sicherheit hatte die Familie deshalb nach Rücksprache mit der Heimleitung von St. Josef beim Familiengericht beantragt, dass sie fixiert werden darf. „Wir hatten die Erlaubnis dazu, nicht die Verpflichtung“, sagt Hans-Georg Liegener, Geschäftsführer der Krefelder Caritas-Häuser.

Dementsprechend war die Bewohnerin auch mit einem Bauchgurt in ihrem Rollstuhl angeschnallt, in dem sie sich mit kleinen Trippelschritten eigenständig fortbewegen konnte. Auch bis zur Treppe, die sie im Juli des vergangenen Jahres heruntergestürzt ist. „Dabei hat sie sich mit dem Rollstuhl mehrmals überschlagen und klaffende offene Wunden wie auch Brüche davon getragen“, erinnert sich ihr Enkel. Die folgende Operation habe sie noch gut überstanden, doch dann habe die Lunge nicht mehr mitgemacht und sie sei fünf Tage später in der Klinik gestorben.

„Es gibt keine Verpflichtung, dass die Tür zum Treppenhaus verschlossen sein muss“, erklärt Georg Liegener auf Nachfrage. Auch nicht dort, wo demente Menschen wohnen. Der rechtliche Rahmen gebe das nicht her. „Sie sind trotz der sogenannten eingeschränkten Alterskompetenz per Grundgesetz freie Menschen“, ergänzt Geschäftsführer Horst Huber. Das sei oftmals für besorgte Angehörige nur schwer nachvollziehbar. Entsprechend gebe es auch keine ständige Beaufsichtigungspflicht oder bauliche Auflagen, wie beispielsweise in Kindergärten entsprechend gesicherte Eingangstüren.

Liegener und Huber weisen auch den Vorwurf der Familie zurück, dass das St. Josefshaus „personell chronisch unterbesetzt“ sei. „In keinem unserer Häuser haben wir weniger Personal, als wir könnten oder dürften“, sagt Liegener, „Allerdings auch nicht mehr“, räumt er ein, ansonsten gingen sie bankrott.

Seit 1967 habe sich der vorgeschriebene Personalschlüssel für Altenheime nicht mehr verändert. Die Arbeit jedoch habe sich massiv geändert. Die Menschen seien inzwischen weitaus älter, wenn sie ins Heim zögen, in der Regel dementiell verändert oder hoch morbide. Außerdem sei der Aufwand der vorgeschriebenen täglichen Pflegedokumentation weitaus höher als noch vor fünf oder zehn Jahren. „Die wird zur Pflege gezählt und fehlt damit bei der eigentlichen Betreuungszeit.“

Der MDK hat nach einer Prüfung dieses Todesfalls und elf weiterer laut Liegener keine schwerwiegenden Mängel im St. Josefshaus festgestellt. „Allerdings sind drei Sofortmaßnahmen ausgesprochen worden.“ Die erste beinhaltet die grundsätzliche Sturzprophylaxe. Dazu zähle auch, Bewohnern sogenannte Stoppersocken anzuziehen. Die zweite Maßnahme beziehe sich auf die Dekubitusprophylaxe, um das Wundliegen von bettlägerigen Bewohnern zu verringern. Die dritte Maßnahme ziele auf das Umlagern in der Nacht. Danach müssen bettlägerige Bewohner nun nicht mehr nur zu Beginn und Ende der Nacht gewendet werden, sondern auch einmal zwischendurch.

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