Ein Hilferuf des Pflegesystems

Heimmitarbeiter stellt Strafanzeige gegen die Caritas

Krefeld. Die Strafanzeige eines Mitarbeiters des St. Josefsheims wegen fahrlässiger Tötung von 15 Bewohnern ist ein Hilferuf eines Einzelnen, aber letztendlich auch des gesamten Pflegesystems. Der Vorwurf des 61-Jährigen: Die alten Menschen sind in dem Haus nicht ausreichend beschützt, betreut und versorgt worden. Die Caritas verneint und verweist auf die vorschriftsmäßige Personalsituation. Beide haben aus ihrer Sicht Recht.

Wie soll ein würdevolles Leben im Alter erfüllt werden, wenn der gesetzlich vorgegebene Personalschlüssel noch aus dem Jahr 1967 stammt? Laut einer aktuellen NRW-Studie hat das Personal in Altenheimen täglich für die Versorgung eines Bewohners der Pflegestufe 2 durchschnittlich 82,7 Minuten Zeit. Einschließlich der vorgeschriebenen täglich zu führenden Pflegedokumentation. Wer selber Angehörige pflegt, weiß, dass diese Zeit für eine umfassende Versorgung, für Zuwendung und Mobilisierung nicht ausreichen.

Der alte Personalschlüssel ist das Übel. Das Land muss dringend nachbessern und dabei berücksichtigen, dass Menschen heutzutage im höheren Alter, oftmals dement verändert oder hoch morbide ins Heim ziehen. Sie brauchen mehr pflegerische Unterstützung als über die derzeitige Regelung der Pflegeversicherung anerkannt wird.

Unter den Folgen leiden immer häufiger die alten Menschen. Die Zahl der Fälle steigt, in denen die Bewohner zu wenig zu trinken bekommen, wund liegen, stürzen und sich verletzen sowie bei dementiellen Bewegungsdrang ohne richterliche Genehmigung fixiert werden. Und das bei Kosten für eine Heimunterbringung von rund 2300 Euro (Stufe 0) bis rund 4100 Euro (Stufe III) im Monat. Würdevolles Leben sieht anders aus.

Deshalb ist es höchste Zeit, dass engagierte Mitarbeiter und Geschäftsführer in Pflegeheimen aufschreien, um auf die Missstände im Pflegesystem aufmerksam zu machen. Es ist aber ebenso höchste Zeit, dass Angehörige aufschreien, da wo sie den Eindruck haben, dass ihre Angehörigen nicht gut versorgt werden. Schweigen aus Angst vor befürchteten Repressalien für Vater oder Mutter ist ebenso fahrlässig. Die Heime müssten es ihnen danken: Ein schlechter Ruf schadet nämlich dem Geschäft — und das ist die Pflege heutzutage.

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