Ein Leben mit Humor – trotz Tumor

Carmen Steiner hat ein Buch über ihren kranken Sohn Lennard (6) geschrieben. Ärzte hatten vor zwei Jahren seinen baldigen Tod vorhergesagt. Aber das Leben ging weiter.

Krefeld. "Mama, muss ich jetzt sterben?" Lennard ist vier Jahre alt. Er hat einen Hirntumor und die Ärzte werden bald herausfinden, dass dieser nicht operiert werden kann. "Mama lächelte darüber, aber ihre Augen schwitzten und das hörte gar nicht mehr auf." Carmen Steiner hat in einem Buch "Leben mit Humor - trotz Tumor" aufgeschrieben, wie ihr Sohn die Krankheit erlebt hat.

Immer mit dabei: der trockene Humor, der Mutter und Sohn auszeichnet, die Pragmatik, die ihnen geholfen hat, alles zu überstehen. Heute, mehr als zwei Jahre nach der Diagnose, ist Lennard sechs Jahre alt, geht in die erste Klasse und ist Wölfling bei den Pfadfindern. Der Tumor ist noch da. "Es hat sich nichts geändert. Aber es ist normal geworden. Wir haben gelernt, damit zu leben."

Noch immer könnte der Tumor Lennard töten - dennoch geht das Leben weiter. Und es soll schön sein. "Wir sind zwei Menschen, die sich nicht unterkriegen lassen, wir suchen nach dem Schönen im Leben."

Die Frage nach dem Warum hat sich die allein erziehende Mutter nie gestellt. "Es gibt keine Antwort darauf, weshalb mein Junge krank wurde. Und selbst wenn: Sie würde nicht helfen."

Natürlich sei sie verzweifelt gewesen, hilflos und ohnmächtig, als es hieß, Lennard habe nur noch zwei Monate zu leben. Die langen Wartezeiten in den Kliniken bei Untersuchungen und Operationen machten mürbe. "Ich hätte mich gefreut, wenn ich so ein Büchlein da gefunden hätte, eins das Mut macht."

Erst im vergangenen Sommer hat sie sich entschlossen, ihre Notizen zu einem Manuskript zu verarbeiten. Zunächst für sich, um ihre Gedanken zu ordnen. Nach all der Dramatik war wieder Normalität da - keine Kliniken mehr, keine Operationen, dafür Schule und Streit um Fernsehzeiten. Absurd, schließlich ist der Tumor noch da.

Das Schreiben half ihr bei der Verarbeitung. Und nun soll es Eltern in der gleichen Situation helfen. "Es ist das Schlimmste, was einem Elternteil passieren kann. Wenn ich mit dem Heft auch nur einem ein bisschen Mut machen kann, hat sich die Arbeit gelohnt."

Carmen Steiner lässt Lennard in Tagebuchform erzählen. Es beginnt bei einer Voruntersuchung für eine Polypen-OP. Da stellt der Arzt fest, dass der Junge verschieden große Pupillen hat. "Es besteht keine Dringlichkeit, doch wir sollten es im Auge behalten ... Klar, wo sonst sitzen meine Pupillen denn?", sagt Lennard. Dass sein Tumor keinen Namen hatte, weil die Ärzte ihn nie einordnen konnten, fand er ziemlich doof. "Wir haben den Tumor offiziell Erwin getauft", erzählt die 36-Jährige.

Lennard blieb cool, blieb Kind und immer tapfer. "Wenn mein Junge damit so locker umgeht, muss ich das auch. Der Krümel war mein Halt." Und Carmen Steiner tat alles, um das Leben so normal wie möglich zu machen.

Nach der Hirn-OP in einer Würzburger Spezialklinik stürzte sich der Kleine wieder aufs Bobby-Car - "und ich hinterher mit der Infusionsstange".

Kinder begreifen die Unendlichkeit, den Tod nicht, sagt Carmen Steiner. Dennoch war der Tod nie ein Tabuthema in der Familie. "Er hat jedes Recht, darüber zu sprechen." Auch, wenn manch Erwachsener schockiert ist. Wie die ältere Dame in der Straßenbahn, die Lennard angesichts des Kopfverbandes fragte, ob er Ohrenschmerzen habe: "Nein, das ist wegen meinem Krebs."

Dass ihm der einen Bonus einbringt, hat der Junge schnell begriffen: "Ich will das Essen ans Bett gebracht bekommen - sonst ziehe ich wieder ins Krankenhaus." Aber Mamas Pragmatismus hat dem schnell ein Ende gemacht. "Ich bin seine Mutter, ich muss ihn erziehen." Damit das Leben weitergeht, schön, mit Humor - und Erwin zum Trotz.

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