Gewollt wohnungslos?

Die Zahl der Obdachlosen sinkt nach Angaben der Stadt seit Jahren. Die Diakonie bewertet das etwas anders.

Krefeld. Die Zahl der Obdachlosen in Krefeld ist zwischen 2010 und 2011 um mehr als die Hälfte zurückgegangen — das ist in der aktuellen Ausgabe des Statistischen Jahrbuchs zu lesen. Obwohl diese Zahl auch in den Jahren davor stetig gesunken war, die deutliche Verringerung von 127 Obdachlosen im Jahr 2010 auf 56 Obdachlose im Jahr 2011 scheint außergewöhnlich.

Irene Ehlers, Pressesprecherin bei der Stadt, begründet diese Entwicklung so: „Im Jahr 2011 wurden die zentralen Obdachlosenunterkünfte an der Herbertzstraße aufgegeben. Die dort ansässigen Personen konnten zum überwiegenden Teil in Mietverhältnisse überführt werden.“ Konkret bedeute das, dass die Stadt Wohnungen bei privaten Eigentümern angemietet habe, um diese den betroffenen Personen vorübergehend und gegen Gebühr zur Verfügung zu stellen.

Allerdings räumt Ehlers ein, dass sich die Zahlen aus dem Statistischen Jahrbuch nur auf Obdachlose und nicht auf Wohnungslose beziehen. Der Fachbereich Soziales definiere Obdachlose als Personen, die keine Wohnung haben und Wohnungslose als Personen, die keine Wohnung wollen. Die Zahl der Wohnungslosen aber sei der Verwaltung nicht bekannt.

Das Beratungszentrum für Wohnungslose der Diakonie Krefeld und Viersen unterscheidet gar nicht erst zwischen Obdachlosen und Wohnungslosen. Der stellvertretende Geschäftsführer Ludger Firneburg lehnt diese Differenzierung sogar kategorisch ab: „Das ist zynisch. Wir beraten oft Menschen, die die Stadt als wohnungslos definiert. Die sind häufig psychisch krank oder traumatisiert.“ Nur weil sich diese Personen mit dem Leben auf der Straße arrangiert hätten, heiße das nicht, dass sie das freiwillig machen: „Die allerwenigsten wollen das.“

Lässt sich Firneburg, trotz seiner anderweitigen Auffassung, auf die Unterscheidung zwischen Wohnungslosen und Obdachlosen ein, erkennt er das Engagement der Verwaltung für Letztere aber durchaus an: „Die sind schon ernsthaft bemüht.“

Auch seine Beratungsstelle bietet diesen Obdachlosen Unterstützung an, wenn sie sich auch vorwiegend um die sogenannten Wohnungslosen kümmert. Insgesamt schätzt Firneburg die Zahl der Hilfesuchenden auf etwa 250 im Jahr. Und anders als die Stadt hat die Diakonie keinerlei Rückgang zu verzeichnen: „Das ist ziemlich konstant.“

In der Beratungsstelle der Diakonie können die Klienten waschen und duschen, essen und schlafen. Außerdem können sie sich beraten lassen. Die Beratung, betont Firneburg, sei ein wichtiger Aspekt: „Immerhin können wir so ungefähr 35 Prozent von ihnen Wohnungen vermitteln.“ Und diese Quote, ergänzt er, sei zumindest ein Hinweis darauf, dass die Definition der Verwaltung von Wohnungslosen als Personen, die keine Wohnung wollen, nicht unbedingt zutreffe.

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