Häusliche Gewalt: Geschlagene Frauen greifen oft zur Notlüge

Die Dunkelziffer ist hoch. Notfall-Ambulanz dokumentiertVerletzungen.

Krefeld. Anna ist 29 Jahre alt. Sie kommt in die Notfallambulanz der Kassenärztlichen Vereinigung für Erwachsene und Kinder, die sich am Klinikum befindet. Die verheiratete Frau klagt über Schmerzen an Bauch und Brustkorb. "Ich bin die Treppe herunter gefallen", sagt sie. Der Arzt bemerkt neben Blutergüssen außerdem verräterische rote Flecken an den Oberarmen und eine Prellung an der Schläfe. Er glaubt nicht mehr an den Treppensturz, sondern vermutet häusliche Gewalt. Die Dunkelziffer ist hoch. Schätzungen zufolge wird jede dritte bis fünfte Frau Opfer häuslicher Gewalt. Kinder erleben dies mit und sind zum Teil selbst betroffen. Die Angriffe machen krank - körperlich und seelisch. Viele Frauen wenden sich an Ärzte, ohne ihnen die Ursache ihres Leidens zu nennen. "Dies bedeutet, dass Ärztinnen und Ärzte als erste Anlaufstelle eine Schlüsselfunktion im Erkennen der Gewalt als Ursache innehaben", betonen Dr. Knut Krausbauer, Vorsitzender der Ärztekammer und Dr. Michael Knobloch, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung. "Im Rahmen der Krefelder Gesundheitskonferenz wurde 2005 die ,Arbeitsgruppe häusliche Gewalt und Gesundheit’ gegründet", sagt Diplom-Psychologe Martin Zange, Vertreter der psychologischen Therapeuten der Kassenärztlichen Vereinigung. "Wir haben unter der Überschrift ,Hinsehen - Dokumentieren - Ansprechen - Hilfe anbieten’ ein Informationsblatt und einen Dokumentationsbogen entwickelt und an die Krefelder Ärzte verschickt." Ziel ist eine genaue Beschreibung der Verletzungen, um den Opfern zu ermöglichen, die Gewalteinwirkung im Nachhinein belegen zu können. "In diesem Fall ist auch ein Fotobeweis bedeutsam." Um dies in der Notfallambulanz zu gewährleisten, hat Norbert Pfaar, geschäftsführender Gesellschafter des Media Marktes in Krefeld, den Ärzten zwei Digitalkameras gespendet. "Wenn wir die Frauen auf ihr Leiden ansprechen, bricht es oftmals aus ihnen heraus oder sie sagen zuerst nichts und erinnern sich später an das Gespräch", sagen die Ärzte. "Dann ist es wichtig, Beweise zu haben. Die Fotos werden in der Krankenakte archiviert und haben zehn Jahre vor Gericht Beweiskraft." Krausbauer betont: "Die Frauen werden weder gezwungen noch angeklagt, sondern bekommen bei uns Hilfe und Informationen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort