Hochwasser: Als das große Wasser kam...

Ohne einen effektiven Schutz ist die Rheinstadt bedroht. Vor 700 Jahren zerstörte der Fluss sogar die erste Siedlung. Die Sanierung des Deiches ist dringend notwendig.

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Foto: NN

Uerdingen. Ohne Mühe rammt eine Spezialmaschine die meterlangen und tonnenschweren Spundbohlen in den Uerdinger Rheindeich. Mit dem neuen Hochwasserschutz werden vor allem die Bürger der Rheinstadt geschützt. Denn so friedlich der Rhein sich in diesen Tagen zeigt, so zerstörerisch kann er während eines Hochwasser mit seiner unbändigen Kraft wirken.

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Diese leidvolle Erfahrung haben die Krefelder in den vergangenen Jahrhunderten ohne einen effektiven Deichschutz immer wieder machen müssen. Unter Hochwasser und Eisgang litten in erster Linie die Rheinstädter.

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Vor über 700 Jahren zerstörte der Fluss sogar das erste Uerdingen. Auf einer Rheininsel in unmittelbarer Nähe des einstigen römischen Kastells Gelduba (Krefeld-Gellep) soll dieses erste Uerdingen gelegen haben. Die zivile Siedlung wurde als Schutz vor feindlichen Überfällen vom Festland auf eine Insel verlegt.

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„Wo sich diese neue Siedlung jedoch genau befand, lässt sich archäologisch bislang nicht exakt nachweisen“, sagt Christoph Reichmann, Leiter des Museums Burg Linn. Vieles spräche für eine direkte Nähe zum alten römischen Hafen und damit für eine Verlegung auf eine dem Hafen vorgelagerte Rheininsel.

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Denn der Hafen wurde auch nach den Römern durch die Franken weiter betrieben, wie die drei im Jahr 1972 entdeckten Lastkähne beweisen. Mit der C14-Methode wurde nachgewiesen, dass einer aus dem 10. Jahrhundert stammt.

Ein anderes Schiff stammt aus dem 13. Jahrhundert, jenem Jahrhundert, in dem das alte, kurkölnische Städtchen Uerdingen durch den Rhein zerstört wurde. Mindestens bis in diese Zeit muss der Hafen und ein Ort an der Mündung des Linner Mühlenbaches auf einer Rheininsel gelegen haben. Denn neben den Kähnen fanden die Archäologen bei den Hafenarbeiten Anfang der 1970er-Jahre auch zahlreiche Hinweise von Siedlungsspuren und Hochwasserschäden im Bereich der alten Mühlenbachmündung in den Rhein. Keramikscherben und zerbrochene Tierknochen deuten auf die Siedlung.

Außerdem wurden Artefakte aus dem 13. Jahrhundert entdeckt sowie römische, karolingische und hochmittelalterliche Scherben. „Die Knochen haben wir erst im Zusammenhang mit der Einrichtung der Schiffshalle am Museum näher untersuchen lassen. Dabei zeigte sich, dass ein Teil der Knochen von Menschen und Tieren wahrscheinlich von Hochwasseropfern stammt, so dass es offenbar im 13. Jahrhundert ein mit großen Schäden verbundenes Hochwasser im Bereich der Mühlenbachmündung gegeben hat“, so Reichmann.

Wie viele Menschen dort lebten und wie groß die Stadt letztlich war, darüber berichten historische Quellen nichts. In einer Urkunde aus dem Jahr 1324, die der Uerdinger Lehrer und Heimatforscher Franz Stollwerck zur Datierung der Stadterhebung (1255) nutzte, wird allerdings ein Grund für die Verlegung durch den Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg (1275 bis 1297) erwähnt: „Da die Stadt jedoch durch den Andrang des Rheins allmälig mit dem Untergang bedroht wurde.“ Das „allmälig“ (im lateinischen Text „successive“, „nachrückend“) deutet auf einen Prozess hin, der sich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts hinzog. Durch den Rhein müssen dabei auch die Kirche und der Friedhof von Alt-Uerdingen zerstört worden sein.

Zum Untergang Uerdingens scheinen also diverse Hochwasser geführt zu haben, ausschlaggebend könnte jedoch ein Hochwasser 1279 gewesen sein. Wie verheerend dieses gewesen sein muss, verdeutlicht die Überlieferung, dass auch die gut 1,5 Kilometer landeinwärts am Mühlenbach gelegene alte Kirche von Linn zerstört worden sein soll.

Trotz der wiederkehrenden Fluten versuchten Bürger und Landesherren, sich gegen den Rhein zu schützen. Im Jahr 1618 fehlte den Uerdingern schlichtweg das notwendige Holz für den Uferschutz; ein Hochwasser zerstörte in diesem Jahr große Teile der Ringmauer. In recht kurzen Abständen folgten nun schwere Überschwemmungen: 1622, 1625, 1630, 1635, 1639 und 1647. Im Jahr 1658 riss der Fluss den Wall und die Stadtmauer neben der Burg ein, Vieh ertrank und ein Teil des Ufers brach ab.

Bei einem besonders schweren Hochwasser 1726 fuhr man mit Nachen (Kähnen) durch die Stadt. Am 17. März 1740 notierte der Krefelder Claes ter Meer in sein Tagebuch: „Nachmittags bin ich mit meinem Großvater nach Bockum gegangen, um das Hochwasser zu sehen. Bereits in Bockum floss das Wasser.“

Überschwemmt wurde die Rheinstadt wieder 1776. Viele Menschen ertranken. Noch im Mai lagen Eisschollen auf dem Marktplatz.

In den nächsten 200 Jahren kam es wiederholt zu schlimmen Hochwasserfluten wie nochmals 1926, als das Wasser nur 70 Zentimeter von der Deichkrone entfernt stagnierte. Das Rheintor drohte zu brechen. Als sich Risse zeigten, warnte Glockengeläut die Bürger vor der möglichen Gefahr. Doch das Tor, verstärkt durch zahlreiche Stützen, hielt dem Druck stand.

Von den „Fluten“ zeugen heute nur noch die Pegelmarken am Rheintor, zuletzt aus dem Jahr 1995 mit dem Höchststand von 11,57 Meter.

Mit der aktuellen Sanierung des Rheindeiches wird nun ein wichtiger Bestandteil des Hochwasserschutzes für circa 25 000 Bürger umgesetzt. Die Arbeiten sollen zum Jahresende abgeschlossen sein.

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