Infraschall: Dem Phänomen auf der Spur

Seit Monaten klagen Anwohner von Siempelkamp über Infraschall. Grenzwerte werden aber dort nicht überschritten.

Infraschall: Dem Phänomen auf der Spur
Foto: Archiv Andreas Bischof

Krefeld. Mehr als ein halbes Jahr nach ersten Untersuchungen über die Ursachen für gesundheitliche Schäden durch Infraschall rund um die Hülser Straße ist eine Lösung nicht in Sicht. Rund 40 000 Euro hat das Unternehmen Siempelkamp nach eigenen Angaben bereits für umfangreiche Messungen durch den Düsseldorfer Akustikprofessor Frank Kameier ausgegeben. Dieser vermutet die Quelle für den Schall in der im April 2013 errichteten Brennhalle von Siempelkamp. Rund 50 Anwohner dokumentieren ernsthafte gesundheitliche Beschwerden durch den Schall mit ihrer Unterschrift.

Infraschall: Dem Phänomen auf der Spur
Foto: privat

Nach WZ-Informationen zeigen die Untersuchungen allerdings, dass die in der Technischen Anleitung (TA) Lärm genannten Grenzwerte für Infraschall rund um das Gelände der Firma Siempelkamp nicht überschritten werden. Nur wenn dies der Fall wäre, müssten die Behörden zwingend tätig werden.

Wissenschaftler nehmen das Problem dennoch sehr ernst. Der sogenannte unhörbare Schall, so Professor Detlef Krahé von der Wuppertaler Universität im Gespräch mit der WZ, sei bei geringen Pegeln weniger für körperliche Leiden verantwortlich. Vieles deute vielmehr auf eine Wirkung im zentralen Nervensystem hin mit Beeinträchtigungen im mentalen Befinden.

Die Schallwellen im Bereich von unter 20 Hertz und niedriger verursachen bei Menschen ein mysteriöses Kribbeln, Druck, Pulsationen und Vibrationen. Ohrendruck sowie Angst- und Unsicherheitsgefühle können die Folgen sein.

Mögliche Quellen in der Nähe von industriellen Anlagen sind Kraftwerke, Brenner, Abgaskamine, Ventilatoren und Pumpen. Niedrigschallwellen können aber auch von Bussen, Flugzeugen, Hubschraubern oder Schiffen ausgehen.

Für Susanne Wolf, Professorin für Arbeitsmedizin an der Fachhochschule Düsseldorf, gibt es Hinweise auf ständig erhöhten Blutdruck, Schlaf- und Konzentrationsstörungen sowie verminderte Leistungsfähigkeit. Infraschall könne Probleme „bis hin zu Selbstmordgedanken“ auslösen.

Das Thema sei zwar für die Wissenschaft und Technik kein Neuland mehr, betont Krahé. Trotz verstärkter Forschungen seit rund 20 Jahren gebe es aber noch viele weiße Flecken. Mit der technologischen Weiterentwicklung der Industrie und der erneuerbaren Energien wachsen demnach sowohl Aufgaben wie auch Möglichkeiten in der Bekämpfung der Quellen des Schallphänomens.

Der Weg des tieffrequenten Schalls ist häufig schwer zu verfolgen, die Quelle bleibt oft unbekannt. Dies sei wie bei Wasser, erläutert der Wuppertaler Professor. „Das kann auch um die Ecke fließen oder in der Wand hochsteigen.“ Denn dieser Schall kann sich entweder über die Luft ausbreiten. Oder er kann sich als Vibration über den Boden und das Mauerwerk ausdehnen und im Haus dann von einer Wand abgestrahlt werden. Gradmesser für die Belastung und Grundlage einer Analyse müssten mehrtägige Messungen innerhalb der Wohnungen sein.

Wird die Ursache gefunden, so stellt sie sich nicht selten als ein vermeidbarer Umstand heraus: eine nicht korrekt installierte Pumpe, der Ventilator einer Klimaanlage, eine Maschine mit einer altersbedingten Unwucht oder ein nicht geschlossenes Tor einer Fabrikhalle.

Eine Lösungsmöglichkeit gegen Infraschall sei, so Krahé, „der Gegenschall, der die Quelle neutralisiert“. In der Fahrzeugtechnik, etwa in Auspuffanlagen von Lkw, sei diese Methode als Active Noise Control (ANC) bekannt. Das sei jedoch nicht in allen Fällen anwendbar.

Detlef Krahé fordert, dass sich die Kommunen mehr als bisher kümmern: „Vor allem die Ordnungs,- Gesundheits- oder Umweltämter müssen sich mit der Problematik auseinandersetzen und den betroffenen Menschen hilfreich zur Seite stehen.“

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