Kinder vor Leid und Gewalt schützen

Team der Jugendhilfe musste 57 Mal Mädchen und Jungen in Sicherheit bringen.

Kinder vor Leid und Gewalt schützen
Foto: dpa

Krefeld. Vor wenigen Wochen klingelt beim Team Kindeswohl unter 86 45 45 das Telefon. Eine Lehrerin ist dran. Zwei Geschwisterkinder hatten sich verzweifelt an die Vertrauenslehrerin in ihrer Schule gewandt. Am Abend zuvor war es bei ihnen zu Hause eskaliert. Wegen einer zu hohen Handyrechnung hatte der Vater mit einem Stock auf Hände und Fußsohlen der Mädchen eingeschlagen. Eins der Kinder konnte nicht mehr laufen. Die alarmierte Spezialgruppe des Jugendamtes reagierte prompt und holte die Kinder vorübergehend aus der Familie.

„Wir arbeiten nach einem standardisierten Verfahren“, erzählt Horst Schwandt, Leiter der Abteilung Familien. Wenn beim Team Kindeswohl ein telefonischer Hinweis auf mögliche Verwahrlosung, Gewalt oder sexuellen Missbrauch eingeht, erfolgt immer zu zweit im Team zunächst eine Einschätzung der Dringlichkeit. Entscheidend ist der Meldegrund, das Alter des Kindes und die Frage, ob es früher schon Vorfälle gegeben hat. 543 Meldungen solcher Art sind allein in diesem Jahr eingegangen. In den entsprechenden Familien waren 1020 Minderjährige betroffen. 284 Kinder davon unter drei Jahre. „Die liegen uns besonders am Herzen, denn die können nicht weglaufen“, sagt Fachbereichsleiter Gerhard Ackermann.

„Als Nächstes folgt zeitnah ein unangemeldeter Hausbesuch“, erklärt Sozialpädagogin Regine Bonse-Bott zum weiteren Vorgehen. Mittels eines Prüfbogens nach dem Ampelsystem verschaffen sich vor Ort zwei Fachkräfte ein eigenes Bild von der Situation. Jedes Kind wird dabei in Augenschein genommen, überprüft, ob die Kleinen an Früherkennungsuntersuchungen teilgenommen haben, die Größeren zur Schule gehen, ob sie Auffälligkeiten zeigen.

Erweist sich die Meldung als unbegründet, zeigt das Ampel-Bewertungssystem Grün. „In solchen Fällen besteht kein Handlungsbedarf“, sagt Schwandt. Bei Gelb werden die Kinder ärztlich untersucht und die Familie vier bis sechs Wochen beraten und begleitet, damit sie sich wieder stabilisiert. Bei Rot besteht hingegen akuter Handlungsbedarf. Bei Kindern unter Sechs werden die sofort in Obhut genommen, bei Älteren hängt es von der Schwere des Falls ab. Die Bezirkssozialarbeiter werden informiert und ambulante oder stationäre Hilfe eingeleitet.

In dem Fall des Geschwisterpaares hat das Team Kindeswohl sofort gehandelt. Beide Mädchen wurden in der Helios-Klinik untersucht und für kurze Zeit in einem Kinderheim untergebracht. 57 Mal in diesem Jahr musste die Jugendhilfe auf diese Art und Weise Kinder vor ihren Eltern schützen.

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