Krieewelsch — ein Fall fürs Museum

Der Erfolg der Pappköpp ist ungebrochen. Doch das Publikum ist weitgehend im Rentenalter. Die Jüngeren verstehen den Dialekt nicht mehr.

Krefeld. Krefelds gallisches Dorf liegt an der Peter-Lauten-Straße. Dort stemmt sich eine Horde Holzköpfe beharrlich gegen den Lauf der Dinge.

Je vehementer die Experten den Tod des Plattdeutschen beklagen, desto erfolgreicher wird das Marionettentheater Krieewelsche Pappköpp. Die 26 Vorstellungen der neuen Spielzeit wurden — wie gewohnt — binnen Stunden ausverkauft.

Wie lange dieser Erfolg noch anhält, steht allerdings in den Sternen: Denn den Pappköpp fehlt der Nachwuchs. Bei einer Publikumsbefragung, die Spielleiter Ralf Kochann während des Vorverkaufs erarbeitet hat, bestätigte sich, was alle ahnten: Das Theater hat kaum junges Publikum.

Nur vier Prozent der Kartenkäufer sind unter 40. das Durchschnittsalter eines Pappköpp-Besuchers liegt bei mehr als 60 Jahren. Nahezu 30 Prozent der Zuschauer sind sogar über 70 Jahre alt.

Für Autor Manfred Coelen, der als „Matthes“ auch regelmäßig für die WZ schreibt, ist das Ergebnis keine Überraschung. „Wenn unsere Generation nicht mehr ist, wird das Interesse rapide runtergehen“, sagt der 73-Jährige.

„Dann fehlen die Leute, die als Kind noch Krieewelsch auf der Straße gesprochen haben.“ Dann sei Krefelder Platt endgültig eine „Museumssprache“. Deshalb bannen die Pappköpp ihre Werke seit Jahren auf Datenträger: „Das ist für die Nachwelt.“

Auch Georg Cornelissen, Sprachforscher beim Landschaftsverband Rheinland, weiß, dass der schleichende Tod der hiesigen Dialekte nicht aufzuhalten ist. Die Pappköpp hält er für ein Phänomen: „Ihr Erfolg existiert gegen den Strom und gegen die Erwartung. Das hängt mit der Qualität der Darstellung zusammen.“ Dennoch werde es „keinen Volksaufstand geben, wenn sie eines Tages aufhören“.

Das liegt laut Cornelissen daran, dass die Krefelder ihren Dialekt gemeinsam aufgegeben hätten: „Der Stadtrat hat nie darüber getagt, aber jeder Krefelder hat an der Entscheidung mitgewirkt, bis auf ein paar Widerständler.“ Eine „bemerkbare Gegenbewegung“ habe es nie gegeben.

Eine Sprache abzuschaffen und dennoch abends zu den Pappköpp zu gehen, sei zwar auf den ersten Blick ein Widerspruch. „Aber das kann auch ein Ausdruck von Bedauern sein, die Sprache nicht mehr gelernt zu haben, ein Versuch, sich ein Stück Krefelder Identität zu bewahren.“

Das würde erklären, warum laut Umfrage fast ein Viertel der Pappköpp-Zuschauer gar kein Krieewelsch spricht. „Gepflegtes Platt“ reden nur 65,3 Prozent der Besucher.

Bei den Jüngeren müssten die Pappköpp sich „sprachlich auf das Publikum zubewegen“, wie Cornelissen rät. Der Regiolekt, eine Art entschärftes Krieewelsch, ist für jeden mühelos verständlich, „klingt aber genau nach Krefeld“, sagt Cornelissen.

Doch obwohl schon heute Teile des Pappköpp-Programm im Regiolekt verfasst sind, gibt es bislang kaum Hoffnung, Kinder und Jugendliche dafür begeistern zu können. „Wir haben das den Schulen gezielt angeboten“, sagt Manfred Coelen. „Doch es gab keine riesige Resonanz. Die Lehrer beißen nicht an, und ohne die geht es nicht.“

Selbst wenn es gelänge, ein festes Programm für Schulen zu installieren, hätten die Pappköpp noch ein anderes, ziemlich elementares Problem: das Alter der eigenen Mitstreiter. „Wir sind heute zwischen 58 und 73 Jahre alt“, erzählt Manfred Coelen. Sogar über die Zeitung hat er schon versucht, neue Mitspieler unter 50 Jahren zu finden. Es meldete sich — keiner.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort