Bunbury-Premiere: Ohne Seele, ohne Sinn

Thirza Bruncken zerlegt Oscar Wilde und lässt dabei leider nichts übrig.

Krefeld. Jack hat einen Bruder Ernst, den er häufig besuchen muss. Algernons Freund Bunbury hält ihn ständig mit seinen Krankheiten in Atem. Dass beide nur Fiktion sind, funktioniert so lange, bis die Frauen ins Spiel kommen. Algernons Cousine Gwendolen und Jacks Mündel Cecily behaupten, nur einen Mann namens Ernst lieben zu können. Als beide Männer in die Rolle des fiktiven Ernst schlüpfen, ist das Chaos perfekt.

Ein Stoff, der nach oberflächlicher Komödie klingt, doch der geistreiche Wortwitz und die geschliffene Sprache machen Oscar Wildes Theaterstück „The Importance of Being Earnest“ zum zeitlosen Klassiker. Verpackt als charmante Komödie ironisiert Wilde erbarmungslos die feine englische Gesellschaft des viktorianischen Zeitalters.

Die Frage nach Sein und Schein, nach der Bedeutung von Konventionen funktioniert auch heute noch. Daher spricht nichts gegen eine zeitgenössische Interpretation, solange die Sprache nicht zu kurz kommt. Genau das passiert jedoch in der Inszenierung von Thirza Bruncken, die am Samstag im Krefelder Theater Premiere hatte.

Der Anfang ist noch vielversprechend. Vier Männer treten in schwarzen Anzügen und mit Hüten an die Rampe. Sie blicken ins Publikum und beginnen mit der ersten Szene. Jack (Cornelius Gebert) spricht mit seinem Diener (Daniel Minetti), Algernon (Paul Steinbach) kommt hinzu. Pastor Chasuble (Bruno Winzen) wirft Sätze ein, die nicht im Textbuch stehen: „Algy, du bist ein Blödmann!“ Die Betonung liegt auf der Sprache, die Ironie bleibt zur Freude der Zuschauer erhalten.

Doch dann betreten vier mit Rock und Pullover gleichförmig spießig gekleidete Frauen die Szene: Lady Bracknell (Eva Spott), Gwendolen (Felicitas Breest), Cecily (Helen Wendt) und Miss Prism (Esther Keil). Nach einer schrägen Tanzeinlage setzt man sich im landhauskitschig dekorierten Esszimmer zu Tisch. Der Diener sitzt dabei, und spätestens da wird das Prinzip deutlich: Es gibt keine gesellschaftlichen Unterschiede und auch keine individuelle Zeichnung der Figuren.

Seelenlos wirkt auch das Bühnenbild, das sich in sinnlosem Wechsel in Schlafzimmer und Bad verwandelt. Die Texte, die mit banalen Alltagssätzen durchzogen sind, werden gleichförmig hinausgeschrien, fast ständig sind alle anwesend und ergehen sich in sinnlosen Turnübungen oder klettern auf dem Klavier herum.

Was als kurzfristiger Gag funktionieren könnte, wird gnadenlos überdehnt. So schlagen sich in der Schlussszene, wenn Jacks Herkunft aufgeklärt wird, alle die Hände vors Gesicht und quetschen ihren Text mühsam heraus. Dieser ist dann per Übertitel nachzulesen. Mit solch überflüssigen Mätzchen wird das Stück systematisch zerlegt.

Die Schauspieler zeichnen sich vor allem durch körperlichen Einsatz aus, nur Steinbach lässt in seiner lockeren Diktion den Sprachfluss Wildes erahnen. Die Sprache jedoch ist die Seele dieses Stücks. Wird sie wie durch Aktionismus zerstört, bleibt nur Langeweile. Verhaltener Applaus.

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