Ein edles Stück vom Schreiner der Zarin

Handwerk: Restaurator Rolf Pütz hat einen Tisch der Manufaktur Roentgen aufgearbeitet. Dessen Wert liegt bei 210 000 Euro.

Ein edles Stück vom Schreiner der Zarin
Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Krefeld. David Roentgen war ein Meister seines Fachs. Der Schreiner aus Neuwied lieferte im 18. Jahrhundert Möbel an Fürstenhöfe und Königshäuser in ganz Europa. Er reiste nach Berlin, Paris und zu Katharina der Großen an den russischen Zarenhof — überall waren seine Dienste gefragt.

Ein edles Stück vom Schreiner der Zarin
Foto: Dirk Jochmann

Jahrhunderte später ist ein solches Möbelstück in Krefeld gelandet. Die Restaurierungswerkstatt Gebr. Schleiffenbaum in der Vinzenzstraße hat in den vergangenen Wochen einen Architektentisch aus der Manufaktur Roentgen behutsam aufgearbeitet. Der Wert des Stücks beläuft sich auf etwa 210 000 Euro.

Was die Möbel aus Neuwied so begehrt und kostbar machte, lässt sich noch heute an ihnen ablesen. Die Oberfläche aus Mahagoni ist makellos und ohne Risse, die Goldbeschläge glänzen und sitzen fest im Furnier. Selbst die komplizierte Mechanik funktioniert wie am ersten Tag.

In zwei Schritten lässt sich der hüfthohe Tisch zum Stehpult ausklappen, ein raffiniertes System aus Schubladen diente der Aufbewahrung von Utensilien. Seitlich sind Standflächen für Kerzen vorgesehen, kreisrunde Löcher waren für Tinte und Schreibsand gedacht. Dennoch sollte man sich vom Namen des Tisches und seinen praktischen Funktionen nicht täuschen lassen. „Man kaufte so ein Stück nicht zum Arbeiten, sondern zum Prahlen“, sagt Restaurator Rolf Pütz. „Die Preise waren schon damals horrend hoch.“

Auch reiche Krefelder gehörten damals zu den Kunden von David Roentgen und seinem Vater Abraham. In einem Katalog zeigt Pütz einen Teetisch, der im 18. Jahrhundert an den Seidenfabrikanten Peter von der Leyen geliefert wurde. „Inzwischen befindet sich dieser Tisch in Costa Rica“, erzählt Pütz. „Es gibt weltweit nur noch zwei Exemplare.“

Die Architektentische wurden wesentlich häufiger angefertigt, allerdings nicht als exakte Kopie. „Das ist wie mit einem Kleid von Dior“, sagt Rolf Pütz. „Die Dame von nebenan möchte nicht das gleiche haben.“ Dem heutigen Verkaufswert der Stücke tut das keinen Abbruch: Erst vor wenigen Wochen wurde ein ähnlicher Mahagoni-Tisch aus der Manufaktur Roentgen im Kölner Auktionshaus Van Ham versteigert — für 230 000 Euro.

Das Möbel, das Pütz und seine Mitarbeiter nun restauriert haben, gehört einem wohlhabenden Kunden aus dem Saarland. „Wir haben im Laufe der Jahre schon rund 100 Möbel für ihn restauriert“, sagt Rolf Pütz. Solche Arbeiten sind Vertrauenssache, größte Behutsamkeit ist gefragt. So hat Pütz entschieden, den Tisch nicht abzuschleifen: „Irgendwann wäre sonst das Furnier weg.“ Stattdessen hat er Lacke und Leime mit speziellen Chemikalien angelöst und teilweise erneuert. Der Tisch wurde dazu komplett zerlegt — auch das hat der geniale Schreiner David Roentgen seinerzeit bedacht.

Für Rolf Pütz ist der Tisch Jahrhunderte später weit mehr als ein Möbelstück: „Er hat eine innere Wertigkeit und eine Ausstrahlung. Die Geschichte des Tisches geht mir selbst beim Arbeiten nicht aus dem Kopf.“

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