Einfühlsame Bilder von Menschen im Wachkoma

Ein Tabu wird in die Öffentlichkeit gebracht.

Krefeld. Darf man Wachkoma-Patienten fotografieren und ihr Leid in einer Ausstellung öffentlich machen? „Ja, man darf“, sagt Christoph Bünten. „Wenn man ihr Einverständnis hat und sie nicht ihrer Würde beraubt.“ 13 Portraits hat der Düsseldorfer Fotograf angefertigt. Die großformatigen Fotografien schmücken die Wände der Wachkoma-Station im Gerhard-Tersteegen-Haus.

Was als Experiment begann, ist zu einer beeindruckenden Dauerausstellung geworden. Demnächst gehen die Bilder als Wanderausstellung auf Reisen. Es ist eine Annäherung. „Wir tragen bewusst ein Tabu in die Öffentlichkeit“, sagt Einrichtungsleiter Andreas Blinzler.

Die nicht alltäglichen Bilder sind weder voyeuristisch, noch stellen sie Leid zur Schau. Sie offenbaren das unmittelbar Menschliche und widerlegen Vorurteile über Wachkoma-Patienten. Schlaganfall, Herzinfarkt, ein Sturz, Ski- oder Verkehrsunfall — die unterschiedlichsten Ursachen ließen die Portraitierten in ein Wachkoma fallen. Klaus Kröger lebt seit 2007 im Tersteegen-Haus. Nach einem Herzinfarkt erlitt er einen Hirnschaden durch Sauerstoffmangel. Sein Foto zeigt ihn stark, beinahe kämpferisch.

Luzia Austen ist mit ihren 83 Jahren die älteste Patientin. 2009 erlitt sie eine Hirnblutung. Ihr Blick ist skeptisch, ihr Mund zieht eine kleine Schnute. Mit ihrem schicken Blütentuch um den Hals könnte das Foto auch von einer Familienfeier stammen. Silke Kromer rettete bei einem Wohnungsbrand ihr Leben durch einen Sprung aus dem Fenster. Christoph Bünten beschreibt sie als lebenslustigen Menschen, der fast für jeden Spaß zu haben ist.

Der Fotograf hat einen Weg der Kommunikation gefunden zu Menschen, die von sich aus nicht in der Lage sind, Kontakt aufzunehmen. Psychologin Judith Faust war ihm dabei eine große Hilfe. „Sie liest die Wünsche an winzigen Reaktionen ab. Ein Zucken des Augenlids reicht ihr schon“, sagt Bünten. Die Wanderausstellung macht demnächst im Paul-Gerhardt-Werk in Cottbus Station. Ein kleiner Fotoband begleitet die Ausstellung.

„Ein Leben im Wachkoma ist schwer, aber dennoch individuell, wertvoll und lebenswert“, sagt Andreas Blinzler. „Und es kann jeden treffen.“

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