Kresch-Theater: Der Krieg kommt ganz nah

„Zilverstad“ handelt vom Massaker von Srebrenica. Die Welturaufführung ist am Sonntag in Zagreb.

Krefeld. Helmut Wenderoth telefoniert regelmäßig mit seiner Mutter im Hunsrück. Als der künstlerische Leiter des Kresch-Theaters ihr von seinem neuen Projekt erzählte, lobte sie es mit einem klugen Satz: "Weißt du, Helmut, das muss ja mal gesagt werden."

Wenderoth und sein künstlerischer Komplize, der Komponist Miro Dobrowolny, haben sich in der Tat ein wichtiges Thema gesucht - und ein schwieriges dazu: das Massaker von Srebrenica. "Der Krieg ist für uns immer so weit weg", sagt Wenderoth. "Doch die Menschen, die dort gestorben sind, könnten jetzt hier sitzen, den Frühling genießen."

Bei dem Massaker, das sich im Juli 1995 in Ostbosnien ereignete, töteten Einheiten des serbischen Generals Ratko Mladi 8000 bosnische Muslime und verscharrten sie in Massengräbern. Was heute als schlimmstes Massaker im Europa der Nachkriegszeit gilt, war damals auch eine bittere Lehrstunde für die Weltgemeinschaft.

Denn die Uno hatte Srebrenica zur Schutzzone erklärt: Zehntausende waren in die Stadt geflohen, um in Sicherheit zu sein. Doch beim Angriff der serbischen Truppen blieben die Nato-Blauhelme untätig - und die Welt sah beim Massensterben zu. "Selbst heute stehen wir noch sprachlos davor", sagt Helmut Wenderoth.

Mit der Distanz von Künstlern hat sich das Autoren-Duo seinem Thema genähert. In Srebrenica, der ehemals idyllischen "Silberstadt", die dem Stück seinen holländischen Titel "Zilverstad" gibt, sind sie nie gewesen: "Ich musste mir diesen emotionalen Abstand erhalten", sagt Miro Dobrowolny. "Sonst wäre ich mit dem Thema nicht zurecht gekommen."

Der Komponist, dessen Art Ensemble NRW mit dem Kresch kooperiert, glaubt dennoch fest daran, dass "Kunst in Zeiten der Barbarei Halt bietet". Bestes Beispiel ist die Hauptfigur: Ahmo, Metzger und Tänzer, der nur seine Skizzenbücher vor den Häschern rettet. In zwölf Szenen mit Kammermusik und Gesang, Dialogen, Tanz, Lyrik und Film erzählen die Macher seine Geschichte und die des Massakers.

Uraufführung hat das englischsprachige Stück am Sonntag bei der Musikbiennale Zagreb, fünf Tage später ist Premiere in Krefeld. Für Dobrowolny ist die Reise nach Kroatien eine Rückkehr zu den eigenen Wurzeln - er ist in Zagreb geboren: "Dort berühren wir sicher Wunden. Und viele davon sind noch frisch."

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