Rienzi: Wuchtig wie Stadionrock im Opernhaus

Wagners „Rienzi“ feierte am Samstag umjubelte Premiere. Die Regie findet kluge Bilder für ein musikalisches Monstrum.

Krefeld. Anfangs bremst Mihkel Kütson seine Sinfoniker noch. Die Ouvertüre zu „Rienzi“ lässt der Generalmusikdirektor bei der Premiere am Samstag leise aus dem Dunkel hervorkriechen, verweigert ihr die Steigerung zu hemmungsloser Vehemenz. Doch auf Dauer kann man Wagner nicht zähmen. Selbst wenn dieses pompöse Werk niemals Hitlers Lieblingsoper gewesen wäre, könnte einem mulmig werden vor so viel Pathos und wuchernder Emotion. Wagner selbst fand, dass die Oper ein „Schreihals“ sei — was das bei seinen Maßstäben bedeutet, kann man sich ausmalen.

So rauscht drei Stunden lang ein musikalischer Wirbelsturm auf das Publikum nieder, laut und effektgierig, mit strammen Bläsern und wuchtigen Chorpartien, die den Raum erfüllen wie Stadionrock ein Opernhaus (Einstudierung: Maria Benyumova). Selbst die stillen Momente sind kaum mehr als eine Vorahnung des nächsten Ausbruchs.

Inszenieren lässt sich ein solches Monstrum nur in großen Bildern — und Regisseur Matthias Oldag findet sie. Mit Bühnenbildner Thomas Gruber und Kostümbildnerin Henrike Bromber verlegt er den Aufstieg und Fall des Staatsmanns Rienzi überzeugend ins Medien-Zeitalter. Über einem schrägen Boden lässt er Zeitungsartikel von Machtkämpfen und Anarchie auf den Straßen künden, wie ein fallender Aktienindex zieht sich ein riesiger roter Graben quer über die Bühne. Die Welt, ein Krisenherd für den täglichen Nachrichtenbrei.

Im ersten Bild wird Irene (Anne Preuß) mit Benzin übergossen. Die Banden von Colonna (Hayk Déinyan als cooler Mafioso im Sopranos-Stil) und Orsini (Andrew Nolen als wilder Krieger mit langer Mähne) terrorisieren die Menschen, Kardinäle wie Orvieto (Matthias Wippich) werden verhöhnt. Erst Rienzi bringt den Frieden und eint das Volk.

Seinen Weg zur Macht illustriert Oldag mit Videobildern aus dem US-Wahlkampf. Projiziert werden sie auf eine transparente Leinwand, die vor der Bühne hängt. So überlagert die mediale Inszenierung das tatsächliche Geschehen, die Wirkung ersetzt den Inhalt. Auch Rienzi schwillt im Livestream zu gigantischer Größe an, obwohl sein Charisma mit blassem Teint, schlaffer Haltung und Kassengestell eher dem eines FDP-Hinterbänklers gleicht.

Geschickt spielt Carsten Süss, der als Rienzi fast jede Szene auf seinen Schultern tragen muss, mit den medialen Möglichkeiten, flirtet mit der Kamera und praktiziert entschlossene Gesten aus dem letzten Rhetorik-Seminar. Wie der gefeierte Medienstar am Ende zum Häuflein Elend zerfällt, zeigt Süss mit großer Intensität.

Stimmlich ist er dem Part leider nicht gewachsen. Gerade in den Szenen, in denen Rienzi das Volk mitreißt und enorme Macht verkörpert, geht der Tenor im Orchester unter, die Strahlkraft des großen Tribuns bleibt ein mattes Glimmen.

Weit mehr Ausstrahlung und stimmliche Präsenz bringt Eva Maria Günschmann auf die Bühne. Ihrem Adriano, zerrissen zwischen Liebe und Loyalität, gehören die berührenden und dramatischen Momente des Abends. Tosenden Applaus und Bravorufe gibt es am Ende für beide Sänger sowie für den Chor, das Orchester und die Regie.

Deren größte Leistung besteht darin, Rienzi zu entlarven — den Tribun und die Oper. Beide strahlen eine Größe aus, die letztlich Blendwerk ist.

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