Kunsthändler mischt die Börse auf

Die Krefelder Weng Fine Art legt binnen sechs Monaten um 300 Prozent zu.

Krefeld. Alles sieht noch so aus wie vor einem halben Jahr. Dabei ist nichts mehr so, wie es Anfang Januar war, als die Weng Fine Art (WFA) an die Börse ging. Die Kunsthandelsfirma hat ihren Sitz immer noch im Handels- und Gewerbezentrum Fichtenhain an der Kimplerstraße, ein Komplex aus unscheinbaren Büros und Lagerhallen, verkehrsgünstig an der A 44 gelegen. Nichts deutet darauf hin, dass der Superstar des deutschen Aktienmarkts von dort gelenkt wird.

„Ich habe so eine Phase in meinem Leben noch nie erlebt“, erzählt Rüdiger K. Weng. Er ist Alleinvorstand und Hauptaktionär des Unternehmens — und feiert morgen seinen 50. Geburtstag.

16 Euro je Aktie lautete die erste Notierung. Der Kurs hat sich inzwischen mehr als vervierfacht. Gestern mussten Anleger 66,60 Euro zahlen. Kein anderes Papier schoss am heimischen Markt in diesem Jahr derart in die Höhe. Der Firmenwert kletterte von 6,4 auf deutlich über 30 Millionen Euro.

Rüdiger K. Weng

„Wenn ich heute zu Auktionen gehe, bilden sich Menschentrauben. Früher musste ich meine Gesprächspartner suchen, heute wollen alle mit mir befreundet sein, auch die, die ich nicht leiden kann“, sagt Weng. „Bei Verhandlungen mit Banken kommt jetzt auch mal der Vorstand, vor ein paar Monaten waren es noch irgendwelche Berater.“

Weng ist sicher, dass der Erfolg ihm nicht zu Kopf gestiegen ist. Und tatsächlich wirkt er im persönlichen Umgang genauso bescheiden wie beim ersten WZ-Besuch vor sechs Monaten. Unverändert sind auch die Büros, in denen die achtköpfige WFA-Mannschaft Geld verdient: kreatives Chaos. Überall türmen sich Berge von Unterlagen.

Mitten unter seinen Mitarbeitern sitzt Weng an seinem Schreibtisch, nicht im feinen Zwirn, sondern leger gekleidet. „Bei Terminen ziehe ich mich jetzt schon anders an. Ich habe mir auch erstmals seit zehn Jahren wieder Krawatten gekauft.“

Dass der Aktienkurs nach dem Höhenflug wieder abstürzen könnte, hält Weng für unwahrscheinlich. „Unser Geschäft läuft bestens. Und das spiegelt sich an der Börse wider“, sagt der Macher. Und tatsächlich: Nachdem die Firma 2011 bei 6,5 Millionen Euro Umsatz einen Vorsteuergewinn von 1,2 Millionen Euro erzielen konnte, hat sich der Überschuss in diesem Jahr bisher verdoppelt, obwohl der Umsatz nur um ein Drittel zulegte.

Im Gegensatz zu fast allen anderen Kunsthändlern, die sich in erster Linie von Emotionen und persönlichem Geschmack leiten lassen, betrachtet Weng Kunst als Handelsware. Er besorgt das, was marktgängig ist und sich schnell weiterverkaufen lässt. Im Fokus stehen populäre Künstler wie Warhol, Richter, Hirst, Lichtenstein und Picasso. Das Krefelder Unternehmen beliefert im Stammgeschäft ausschließlich gewerbliche Kunden.

Als seine wichtigsten Vertriebskanäle bezeichnet Weng die internationalen Auktionshäuser, darunter Sotheby’s und Christie’s. Der Wert der Werke liegt zumeist zwischen 10 000 und 80 000 Euro. „Drei Viertel des Kunstmarktes spielt sich in dieser Preisklasse ab“, sagt der Händler.

Zusätzliches Wachstum erwartet Weng von einem eigenen Online-Vertriebskanal, der im Herbst an den Start gehen wird und auf private Käufer zielt. Offeriert werden dort vor allem Druckgrafiken, die nach Absprache mit den Künstlern in Mini-Auflage zu haben sind. Preis: zwischen 2000 und 20 000 Euro.

Um das alles stemmen zu können, plant Weng Neueinstellungen. Bis Ende nächsten Jahres soll die Zahl der Mitarbeiter in Fichtenhain von acht auf 20 bis 25 wachsen. „Und die bisherigen Gespräche zeigen, dass es kein Problem ist, selbst Top-Leute aus London oder Paris nach Krefeld zu holken“, sagt Weng.

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