Migration: Sind wir fit für die Vielfalt?

Berliner Psychologe fordert eine Ausländer-Quote bei der Stadt. Chefs müssen hinter der interkulturellen Öffnung stehen.

Krefeld. Der Begriff „Barrierefreiheit“ muss erweitert werden auf den Umgang mit Menschen, deren Wurzeln im Ausland liegen — so lautet eine der zentralen Forderungen der Tagung „Interkulturalität — mehr als Döner, Bratwurst und Folklore“. Rund ein Viertel der Krefelder Bevölkerung, rund 60 000 Bürger, gehören zu den sogenannten Menschen mit Migrationshintergrund. Zwei hochkarätige Referenten hatten das Integrationsbüro der Stadt und der Fachbereich Jugendhilfe in den Krefelder Hof geladen, um bessere Einblicke zu erhalten in das Miteinander der Kulturen, die Vielfalt unserer Gesellschaft.

Professor Franz Hamburger von der Universität Mainz und der Psychologe und Autor Mark Terkessidis aus Berlin öffneten neue Blickwinkel und schufen neues Verstehen. Die Bemerkung gegenüber einem Migranten „Ach, Sie sprechen ja sehr gut Deutsch“, entlarvte Hamburger als „herablassende Anerkennung“. Ungleichheit, auch soziale, treffe einheimische wie zugewanderte Bürger gleichermaßen. „Ungleichheit muss als gemeinsames gesellschaftliches Problem gesehen werden“, stellte der Professor fest.

Anhand einer Reihe von Statistiken wies der Migrationsforscher nach, dass dieser Teil der Menschen in Deutschland durchaus Bildungserfolge nachweisen könne. Diese wachsenden Erfolge müssten von der Wirtschaft bei der Suche nach Fachkräften, aber auch von staatlichen und kommunalen Einrichtungen bis hin zur Polizei sehr viel stärker als bisher genutzt werden. Der demografische Wandel und die veränderte Zusammensetzung der deutschen Gesellschaft in seiner Vielfalt machten dies zwingend notwendig.

Terkessidis konkretisierte das. „Es wäre zu kurz gegriffen, Migranten nur wegen ihrer Sprachkompetenz einzusetzen. Wir müssen uns fragen: ‘Sind wir fit für die Vielfalt?‘“. Es gehe um die Auflösung der Sonderklassenbildung, um die Anpassung an die Vielfalt, um Multiperspektivität im Umgang miteinander.

In der von WZ-Redaktionsleiterin Dagmar Groß moderierten Diskussion spitzten die Referenten ihre Beiträge zu. Zum Thema Parallelgesellschaften bemerkte Hamburger: „Die einzige Parallelgesellschaft in Deutschland ist die katholische Kirche im Umgang mit Frauen und Gewerkschaftsrechten.“ Terkessidis warf Teilen des Bildungsbürgertums vor, sie sähen im Umgang mit Migranten eine „Ansteckungsgefahr“, weshalb sie ihre Kinder in private Kitas oder Schulen schicken.

Zum Projekt der interkulturellen Öffnung der Verwaltung merkte Mark Terkessidis an, vor allem die Führungsebenen müssten hinter dem Projekt stehen, sich verpflichtet fühlen und erklären können. „Sie brauchen dafür Kontextwissen und müssen Routine abbauen.“ Quoten sollten als Zielvorgaben gesetzt werden, wobei er den Prozess der Umsetzung im Bereich von zehn bis 15 Jahren ansiedelte. Bis dahin sollte sich der Migrantenanteil in den städtischen Einrichtungen von derzeit etwa sieben Prozent auf rund ein Viertel der Beschäftigten erhöht haben.

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