Inklusion Pflege für Nick ist in Gefahr

Der Ziehvaters des 13-Jährigen kämpft um seine Betreuung zu Hause. DAK und Stadt wollen weniger dafür zahlen als bislang.

Inklusion: Pflege für Nick ist in Gefahr
Foto: Privat

Krefeld. Ein kurzer Aufschub ist Nick gewährt. Der 13-Jährige ist schwerst mehrfach behindert, nachdem er im Alter von vier Monaten an einer lebensbedrohlichen bakteriellen Hirnhautentzündung erkrankt ist. So mancher erinnert sich vermutlich an ihn: 2003 sammelten viele Krefelder bei der Aktion „Helft Nick“ Spenden dafür, dass der Zweijährige zu einer Delphin-Therapie nach Florida fliegen konnte. Jetzt braucht er wieder dringend Hilfe.

Die DAK und die Stadt Krefeld wollen die Kosten für die laut seines Ziehvaters dringend benötigte häusliche Intensivpflege und die Eingliederungshilfe nicht mehr in dem bisherigen Maß übernehmen. Seit März geht er wegen eines fehlenden Begleiters nicht mehr in die Schule und der Pflegedienst hat den Vertrag zum Ende des Monats aufgekündigt. Eigentlich wollte der schon am vergangenen Mittwoch die Arbeit einstellen. Doch ein erstes Eingreifen des Krefelder Sozialamtes hat das noch verhindern können. „Nick hat als schwerst behindertes Kind nach den UN—Konventionen auch ein Recht am Leben teilzunehmen — und bei seiner Familie zu bleiben“, sagt Christian Schmidt.

Er ist nicht sein leiblicher Vater. Der habe sich aus dem Staub gemacht, als die Behinderung seines Sohnes festgestellt wurde. Schmidt lernte die junge Mutter kennen, als Nick zwei Jahre alt war. Er hat ihn von Anfang an angenommen, auch als beide noch einen gemeinsamen Sohn bekamen und vor vier Jahren Nicks Mutter überraschend auf tragische Weise starb. Er ist sein offiziell eingesetzter Betreuer.

Der 13-Jährige lebt mit seinem Ziehvater und seinem sechsjährigen Bruder inzwischen in der Nähe von Oldenburg. Nicks Oma aus Krefeld ist in seine Nähe gezogen. „Jetzt droht ihm, dass er auch noch dieses Zuhause verliert“, sagt Schmidt. Durch seine Berufstätigkeit kann er selber die medizinisch fachkundige 24-stündige Überwachung und Pflege nicht übernehmen. Ohne die sei Nicks Leben aber in Gefahr.

Unterstützung bekommt Christian Schmidt durch Nicks Fachärztin, die aktuell ein dreiseitiges Attest mit neun schwerwiegenden Diagnosen ausgeschrieben hat und die 24-stündige intensivmedizinische Pflege für notwendig erachtet.

Diesen Umfang zweifelt die DAK an. Die Krankenkasse bezieht sich auf ein neuerliches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) vom 2. Juni. Darin sieht der Gutachter wegen der in den letzten fünf Monaten nicht mehr aufgetretenen epileptischen Anfälle auch keine Erstickungsgefahr für Nick. Durch die Verordnung eines neuen Medikamentes sei das erzielt worden.

„Stimmt nicht“, sagt Schmidt, der sofort anwaltlich dem MDK- Gutachten widersprochen hat. Die Auswirkungen des Medikamentes müssten beobachtet werden. Auch spricht er sich gegen das Legen einer Magensonde zur Ernährung bei Nick aus, was die Krankenkasse nach dem Gutachten befürwortet. „Als Nick Anfang Februar kurzzeitig im Hospiz war, hat er laut der Leiterin dort fünf epileptische Anfälle erlitten“, sagt Schmidt. Auch habe er jedes Mal sehr geweint, wenn er sich abends von ihm verabschiedet habe.

Rechtlich entscheidend für Schmidt aber ist, dass der MDK-Gutachter für die Intensivpflege Nick nicht persönlich in seiner häuslichen Umgebung besucht und beurteilt habe. Ein anderer MDK-Gutachter, der vor wenigen Tagen die Grundpflege überprüfen wollte, habe das getan. Ihm hat Nick über seinen Sprachcomputer, den er mit den Augen steuert, mitgeteilt: „Ich vermisse meine Schule!“.

Krefeld. Für die Eingliederungshilfe ist die Stadt Krefeld als früherer Wohnort noch zuständig. „Der Fall ist inzwischen sehr kompliziert“, sagt Fachbereichsleiter Wolfram Gottschalk. Das weiß auch Schmidt, der der Stadt vorwirft, nicht die Pflichtleistungen zu übernehmen und nicht mit ihm zu sprechen.

„Vor einem Jahr hatte die Stadt vor Gericht mir zugesagt, mit allen Beteiligten ein Hilfeplangespräch zu führen; das ist bis heute nicht erfolgt.“ Gottschalk will sich dafür einsetzen, dass es kurzfristig ein Erörterungsgespräch mit allen Beteiligten geben wird. Auch DAK-Pressesprecher Rainer Lange lenkt nach einem längeren Gespräch mit der WZ ein. „Wir werden ein neues Gutachten in häuslicher Umgebung schnellstens in Auftrag geben, und die Leistungen sind bis Ende des Monats bewilligt.“

„Ich brauche eine langfristige, feste Zusage“, sagt Schmidt. Der ambulante Pflegedienst habe eine neue Patientenanfrage und halte die Kündigung ohne Absicherung aufrecht. „Dennoch bin ich froh, dass nun hoffentlich alle mal mit mir reden und wir gemeinsam einen Weg für eine stabile Versorgung von Nick suchen; dafür habe ich seit dem Tod seiner Mutter gekämpft.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort