Pflegekräfte warnen vor dem Notstand

Die pauschalen Sätze der Krankenkassen gefährden eine ordentliche Arbeit. Ambulante Dienste fordern bessere Bedingungen.

Krefeld. Zehn Minuten müssten Elias Demuss eigentlich reichen, um einen Kompressionsstrumpf zu wechseln. Aber der Pfleger muss auch zu seinem Patienten fahren, sich einen Parkplatz suchen, in die Wohnung gelangen und etwas Zeit für die Begrüßung des alten Menschen sollte er auch mitbringen. Ob das Anziehen von Kompressionsstrümpfen oder die Gabe von Medikamenten und Augentropfen — stets hat Elias Demuss nur zehn Minuten Zeit. „Das ist einfach nicht zu machen“, sagt Renate Gbegan vom Pflegedienst der Arbeiterwohlfahrt.

Den engen Zeitrahmen geben die Krankenkassen mit ihrer Refinanzierung vor. Genau 9,12 Euro kann der Pflegedienst für seine Leistung mit der Kasse abrechnen. Auch die umfassenden Schreibarbeiten und die Organisation des Pflegesatzes muss die Pflegefachkraft in den ihr zur Verfügung stehenden zehn Minuten bewältigen. „Jede vierte Minute unserer Arbeitszeit geht für ein Formular drauf“, sagt Elias Demuss.

Die Freie Wohlfahrtspflege NRW schlägt Alarm. „Hilfe! Mehr Zeit für Pflege!“ heißt eine landesweite Kampagne, die bis zum 28. April auf die Missstände aufmerksam machen will. Auch die ambulanten Pflegedienste in Krefeld setzen sich für bessere Bedingungen in der häuslichen Krankenpflege ein und fordern mehr Zeit für ihre Patienten sowie von den Krankenkassen eine Anhebung der Vergütung um 13 Prozent. In Krefeld versorgen die ambulanten Pflegedienste täglich rund 1300 Haushalte, das entspricht 50 Prozent aller Haushalte mit Pflegebedarf.

„Wir sind keine Maschinen und unsere Patienten auch nicht“, sagt Dörthe Krüger von der Evangelischen Altenhilfe der Diakonie. Bei einer Wundversorgung am Bein sei eine „Minutenpflege“ gar nicht möglich. „Bei aller Sorgfalt braucht man bis zu 45 Minuten für einen Wundverband. Manche offenen Wunden sind so tief, die gehen bis auf den Knochen“, berichtet Dörthe Krüger. Doch egal wie groß die Wunde sei, die Krankenkassen bezahlten stets pauschal — und zu wenig.

Der wachsende Zeitdruck und Stress gehen zu Lasten der Patienten und Mitarbeiter. Immer öfter beschweren sich die Patienten, während parallel die Unzufriedenheit der Pflegekräfte mit ihrem einstigen Traumberuf ansteigt. „Der Pflegeberuf verliert zusätzlich an Attraktivität und die Pflegekräfte werden selbst immer häufiger krank“, sagt Renate Gbegan.

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